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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Akademien herumgetrieben, bis das Gut und die Eltern verschwunden waren.
    Dann schien er noch jahrelang mit einer Gitarre auf dem Rücken sich beholfen zu haben, ohne jedoch auch auf diesem Instrumente etwas Ordentliches vorbringen zu können, bis er unlängst als ein alternder Mensch in das Dorf heimgeschoben und in das Armenhäuslein gesteckt wurde, wo ein Dutzend alte Weiber, Idioten und ausgeglühte Lebenskünstler der untersten Ordnung zusammen hausten und zuweilen schrien und lärmten, als ob sie im Fegefeuer säßen. Seine Vergangenheit war wie eine dunkle Sage. Niemand wußte etwas Bestimmtes davon, ob er jemals Talent besessen und etwas gekonnt habe oder nicht, und er selbst schien auch keine Erinnerung daran mehr zu besitzen.
    Keine Äußerung oder Handlung verriet, daß er einst unter gebildeten Menschen gewesen und einer Kunst obgelegen, außer wenn er gelegentlich sich rühmte, daß er einmal schöne Kleider getragen habe. Seine einzige Geschicklichkeit bestand darin, sich auf tausend Wegen einen Schluck Branntwein zu verschaffen und Schlangen zu fangen, die er wie Aale briet und schmauste; auch machte er sich auf den Winter einen Topf voll Blindschleichen ein, als ob es Neunaugen wären, und schleppte denselben aus einer Ecke in die andere, um den Schatz vor den Nachstellungen seiner Hausgenossen zu sichern, die im Punkte des Eigennutzes nicht harmloser waren als die Lebensvirtuosen höhern Ranges.
    Wie nun ein einziger Unhold dieser Art eine ganze Gegend verwüsten und alle Herzen gegen das Musenzeug aufbringen kann, so war auch mir der Schlangenfresser nicht zur guten Stunde im Dorfe aufgetaucht, als ich mich jetzt einfand, um der besagten Verhandlung beizuwohnen. Er erschien mir selbst wie ein böser Dämon, da ich am Wege eine große vorjährige Distel, die aussah wie der Tod von Ypern, ins Büchlein zeichnete und der Kerl, zwei tote Schlangen an einer Gerte über der Schulter tragend, einen Augenblick stillstand, mir zusah, grinste und kopfschüttelnd weiterging, als ob ihm etwas Kurioses durch die Erinnerung liefe. Er trug einen langen zerlöcherten Rock von ehmals rostbrauner Farbe, bis oben zugeknöpft, an den nackten Beinen Pantoffeln, die mit verblichenen Rosen gestickt waren, und auf dem Kopfe eine österreichische Soldatenmütze; ich seh ihn noch heute davonschlurfen.
    Dieses Gespenst rumorte offenbar in den Köpfen der drei oder vier Gemeindevorsteher, welche als Waisenamt um einen Tisch versammelt saßen und meine Person mit vorsichtiger Neugier einen Augenblick betrachteten; denn der Oheim hatte für gut gefunden, mich selbst einzuführen und vorzustellen, damit ich im Notfall seinen Vortrag ergänzen und näher beleuchten möge. Die Männer schienen mir aber Gesichter zu machen wie solche, die eine unliebsame Sache halb und halb kommen sahen und nun sagen Da haben wir's! Sie mochten wohl mit Verwunderung beobachtet haben, wie ich schon seit Jahren allsommerlich Feld und Wald durchstreifte und da oder dort den weißen Leinwandschirm aufspannte, ohne daß ihre Gemarkung dadurch zu besonderm Rufe zu gelangen schien oder fremde Reisende kamen, das merkwürdige Land aufzusuchen. Die Frage, ob ich bei dem lustigen Handwerk eigentlich etwas verdiene und mein Brot erwerbe, hatten sie einstweilen auf sich beruhen lassen, da niemand etwas von ihnen verlangte; jetzt kam der Handel an den Tag.
    Sie benahmen sich zwar anfänglich sehr zurückhaltend, als der Oheim die Sache dargelegt und erklärt hatte. Keiner mochte zuerst einen Mangel an Verstand und Einsicht beurkunden oder sich als einen unbescheidenen Verächter dessen zeigen, was ihm unbekannt war. Nichtsdestoweniger prägten sie sich deutlich ein, daß ein rundes Stück Vermögen, das jetzt so sicher in der Schirmlade lag wie Lazarus in Abrahams Schoß, binnen einer gegebenen Zeit tatsächlich verschwinden sollte. Schnell stellte sich jeder, nach seiner eigenen Lage und Persönlichkeit, vor, zu was ein solches Geld nützlich wäre. Der eine hätte eine Wiese gekauft, als Erbstück für Kind und Kindeskind, eine Wiese, die einige Stücke Vieh nährte; der andere warf sein Auge auf eine Kammer Rebenlandes an vorzüglicher Lage, wo auch im schlimmsten Falle noch ein trinkbarer Wein wuchs; der dritte kaufte in Gedanken dem Nachbaren ein Wegrecht ab, welches seinen Feldbesitz der Länge nach durchschnitt, und der vierte endlich vermutete, er würde den betreffenden Werttitel, welcher ein altes Pergamentlein war, als ein gutes Zinsstück,

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