Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
Vom Netzwerk:
wegzappeln.
    Ich war nun allerdings keine große Figur in der Geisterwelt, um ein so vornehmes Mittel, wie die Geduld ist, gebrauchen zu dürfen; allein ich hatte damals kein anderes zur Hand, und im Notfall bindet der Bauer den Schuh mit Seide.
    Das letzte, was ich außer meinen unverkäuflichen Bildern und Entwürfen besaß, waren die mit meinen Naturstudien angefüllten Mappen. Sie enthielten fast den ganzen Fleiß meiner Jugend und stellten ein kleines Vermögen dar, weil sie lauter reale Dinge aufwiesen. Ich nahm zwei der besseren Blätter, von ansehnlichem Format, welche ich schon im Freien als Ganzes abgeschlossen und in zufällig glücklicher Weise leicht gefärbt hatte. Dieselben wählte ich, um wegen der größeren Wirkung sicherzugehen, da ich keinen der oberen Kunsthändler, sondern das freundliche Trödelmännchen heimzusuchen gedachte und von vornherein nicht einen wirklichen Wert zu erhaschen hoffte.
    Vor seinem Geschäfts-und Wohnwinkel angekommen, sah ich erst durch das Fenster und bemerkte die alten Gegenstände dahinter, die Klarinette wie die Kupferstiche und Bildchen, dagegen nicht mehr das Flötenkästchen. Dadurch ermutigt, trat ich bei dem Alten ein, der mich sogleich erkannte und fragte, was ich Neues bringe. Er war günstig gelaunt und ließ mich wissen, daß er jene Flöte längst verkauft habe. Als ich die Blätter entrollt und auf seinem Tische so gut als möglich ausgebreitet, fragte er zuvörderst, gleich dem israelitischen Bild-und Kleiderhändler, ob ich sie selbst gemacht, und ich zögerte mit der Antwort; denn noch war ich zu hochmütig für das Geständnis, daß die Not mich mit meiner eigenen Arbeit in seine Spelunke treibe. Er schmeichelte mir jedoch ohne Verzug die Wahrheit ab, deren ich mich nicht zu schämen brauche, vielmehr zu rühmen hätte; denn die Sachen schienen ihm in der Tat nicht übel, und er wolle es damit wagen und ein Erkleckliches daranwenden. Er gab mir auch so viel dafür, daß ich ein paar Tage davon leben konnte, und mir schien das ein nicht zu verachtender Gewinn, obgleich ich seinerzeit lust-und fleißerfüllte Wochen über den Gebilden zugebracht hatte.
    Jetzt wog ich das winzige Sümmchen nicht gegen den Wert derselben, sondern gegen die Not des Augenblickes ab, und da erschien mir der ärmliche Handelsgreis mit seiner kleinen Kasse noch als ein schätzenswerter Gönner; denn er hätte mich ja auch abweisen können. Und das wenige, was er mit gutem Willen und drolligen Gebärden gab, war so viel, als wenn reiche Bilderhändler größere Summen für eine unsichere Laune ihres zweifelnden Urteiles hingeben.
    Aber noch in meiner Anwesenheit befestigte der Kauz die unglücklichen Blätter an seinem Fenster, und ich machte, daß ich fortkam. Auf der Straße warf ich einen flüchtigen Blick auf das Fenster und sah die sonnigen Waldeinsamkeiten aus der Heimat wehmütig an diesem dunklen Pranger der Armut stehen.
    Nichtsdestoweniger ging ich in zwei Tagen abermals mit einem Blatte zu dem Manne, der mich munter und freundschaftlich empfing. Die zwei ersten Zeichnungen waren nicht mehr zu sehen; das Männchen, oder Herr Joseph Schmalhöfer, wie er eigentlich laut seinem kleinen alten Ladenschilde hieß, wollte aber keineswegs sagen, wo sie geblieben seien, sondern verlangte zu sehen, was ich gebracht habe. Wir wurden bald des Handels einig; ich machte zwar eine kleine Anstrengung, einen barmherzigern Kaufpreis zu erwischen, war aber bald froh, daß der Alte nur kauflustig blieb und mich aufmunterte, ihm ferner zu bringen, was ich fertigmachte, immer hübsch bescheiden und sparsam zu sein, wobei aus dem kleinen Anfang gewiß etwas Tüchtiges erwachsen würde. Er klopfte mir wieder vertraulich auf die Achsel und lud mich ein, nicht so trübselig und einsilbig dreinzuschauen.
    Der ganze Inhalt meiner Mappen wanderte nun nach und nach in die Hände des immer kaufbereiten Hökers. Er hing die Sachen nicht mehr ans Fenster, sondern legte sie sorgfältig zwischen zwei Pappdeckel, die er mit einem langen Lederriem zusammenschnallte. Ich bemerkte wohl, daß sich die Blätter, große und kleine, farbige wie Bleistiftzeichnungen, zuweilen längere Zeit ansammelten, bis der Behälter plötzlich wieder dünn und leer war; allein niemals verriet er mit einem Worte, wohin meine Jugendschätze verschwanden. Sonst aber blieb sich der Alte immer gleich; ich fand, solang ich ein Blatt zu verkaufen hatte, eine sichere Zuflucht bei ihm, und endlich war ich froh, auch ohne

Weitere Kostenlose Bücher