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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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ich blies aus Furcht, der Handel könnte sich zerschlagen, in erbärmlicher Demütigung weiter, indessen der Trödler kein Auge von mir wandte. Ich kehrte mich ab und schaute mit bitter nassen Augen durch das Fenster.
    Da blickte gleich einem Sonnenaufgang das schönste Mädchengesicht herein, heiter wie der Frühlingstag, lachte holdselig und klopfte mit feinbeschuhter Hand an die Scheibe. Es war ein offenbar vornehmes Frauenzimmer, und der Trödelgreis beeilte sich eifrig, das Fenster so weit zu öffnen, als es wegen der hinter demselben befindlichen Trödelware anging.
    »Na, Mannerl, was haben's denn da für ein Konzert?« sagte sie im vertraulichen Landesdialekt, den sie nur aus Freundlichkeit zu brauchen schien; dann aber, eh das überraschte Männlein eine Antwort fand, fragte sie nach gewissen chinesischen Tassen, die er zu liefern versprochen habe. Ich hatte mich inzwischen auf eine Kiste gesetzt und schaute, ausruhend von dem mühseligen Spiele, das liebliche Frauenwesen an, das nach rasch beendigter Rücksprache noch einen unbefangenen Blick in den Raum warf und dessen Glanz auch über meine traurige Person hinlaufen ließ.
    »Schaffen's, daß ich die alten Tasserl bekomm, und jetzt können's mit der Musik fortfahren!« rief sie noch und verschwand mit anmutigem Gruße vom Fenster. Der Alte war von der unverhofften Erscheinung ganz aufgeregt; der Maienglanz dieses Gesichtes hatte ihn unzweifelhaft erwärmt und in die beste Stimmung versetzt.
    »Die Flöten geht ja ganz ordentlich«, sagte er zu mir; »was wollen's denn dafür haben?«
    Als ich nicht wußte, was ich fordern sollte, holte er einen und einen halben Gulden hervor, in zwei funkelneuen Stücken. »Sein's zufrieden damit?« sagte er, »machen's kein' Umständ, das ist ein schönes Geld!« Ich war zufrieden und dankte sogar in der Eile aufrichtig nach Maßgabe meines Rettungsgefühles, was in seinem Verkehre nicht oft vorkommen mochte. Er klopfte mir gemütlich auf die Achsel und ließ sich zeigen, wie die Flöte auseinanderzunehmen und in das Futteral zu legen sei. Das Kästchen stellte er sodann geöffnet hinter das Fenster.
    Auf der Straße besah ich die beiden Münzen genauer, um mich nochmals zu versichern, daß ich wirklich die Macht in der Hand halte, den Hunger zu stillen. Der helle Silberglanz, der Glanz der vorhin gesehenen, noch nachwirkenden zwei Augen und der Sonnenstrahl, der am Morgen kurz nach dem Gebete mir die vergessene Flöte gezeigt hatte, schienen mir alle aus der nämlichen Quelle zu kommen und eine transzendente Wirkung zu sein. Mit dankbarer Rührung, aller Lebenssorge ledig, wartete ich die Mittagsstunde ab, überzeugt, daß der liebe Gott doch unmittelbar geholfen habe. Es wird deswegen ja doch mit rechten Dingen zugehen, dachte ich in meiner so hart angefochtenen Eigenliebe, und ich kann mir dies still bescheidene Wunder wohl gefallen lassen und darf Gott rechtmäßig danken. Schon der Symmetrie wegen fügte ich dem heutigen Morgengebetchen jetzt ein kurzes Dankgebet bei, ohne den großen Weltherrn mit vielen oder lauten Worten belästigen zu wollen.
    Nun aber säumte ich nicht länger, das gewohnte Speisehaus aufzusuchen, das ich seit einem Jahre nicht mehr betreten zu haben glaubte, so lang dünkten mich die drei Tage. Ich aß einen Teller kräftiger Suppe, ein Stück Ochsenfleisch mit gutem Gemüse und eine landesübliche Mehlspeise. Dazu ließ ich mir einen Krug Bier geben, das herrlich schäumte, und alles schmeckte mir so trefflich, wie wenn ich am feinsten Gastmahle gesessen hätte. Ein unverheirateter Arzt, der auch dort zu speisen pflegte, bemerkte freundlich, er habe vorhin geglaubt, ich sei krank, so übel sehe ich aus; allein da ich so frischen Appetit habe, so scheine es doch nicht gefährlich zu sein. Ich entnahm hieraus, daß ich mich wenigstens einer guten Gesundheit erfreute, woran ich bisher nicht gedacht hatte, und hiefür war ich der Vorsehung auch dankbar; denn einem kränklichen oder schwächlichen Gesellen hätte die Strapaze schlimmer ablaufen können.
    Nach Tisch begab ich mich in ein Kaffeehaus, um dort bei einer Tasse schwarzen Trankes auszuruhen und dabei die Zeitungen zu lesen und zu sehen, was in der Welt vorging. Denn auch darin war ich die drei Tage wie in der Wüste gewesen, daß ich mit niemand gesprochen und keinerlei Neuigkeit vernommen hatte. Ich fand auch allerlei Nachrichten und Weltbegebenheiten, die sich in der Zeit angesammelt; über dem behaglichen Lesen kehrten aber zusehends

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