Der gruene Stein
schließlich ein Professor für Theologie einen langatmigen Vortrag über die historischen Pflichten des Tribunats hält, erkenne ich, dass es Zeit wird, der Universität den Rücken zu kehren. So viel geballtes Wissen kann ich nur schwer verdauen. Beim Anblick der Reihen gut gekleideter und aufmerksamer Studenten, die in den gewaltigen Vorlesungssälen hocken, denke ich unwillkürlich an Makri und daran, was diese Institution wohl aus ihr machen wird, falls sie sich den Zugang zur Universität erkämpfen sollte. Vizekonsul Zitzerius hat einmal angedeutet, dass er ihr vielleicht helfen würde, wenn die Umstände es erlauben, aber damals wollte er etwas von ihr. Außerdem bezweifle ich, dass er ihr wirklich helfen würde, wenn es jemals dazu käme.
Barius lebt noch zu Hause im Schoß der Familie, also fasse ich das als mein nächstes Ziel ins Auge. Allerdings freue ich mich nicht gerade auf eine weitere Begegnung mit Professor Toarius. Der Professor wird sich wie ein Böser Bann auf mich stürzen, wenn ich erst einmal anfange, seine Familie zu behelligen. Toarius gehört zu einer wichtigen Familie und hat viele einflussreiche Freunde. Der Rang eines Professors an sich verleiht zwar noch keinen sonderlich hohen Status, aber Toarius’ Familie besitzt viel Land vor der Stadt und ist schon länger wohlhabend, als die Leute erinnern können. Schade eigentlich, denke ich, während ich mich zu seiner Villa aufmache. Während meiner Laufbahn als Detektiv bin ich bereits den meisten wichtigen Leuten der Stadt auf die Zehen getreten, was bei meinem Gewicht keine leichte Sache ist. Also dürfte ein weiterer Feind wahrscheinlich auch keinen großen Unterschied mehr machen.
Was mich an etwas erinnert. Ich sollte eigentlich Ermittlungen wegen Lisutaris’ Sekretärin anstellen. Es macht mich sehr neugierig, aus welchem Grund die Zauberin sie so beschützt. Ich breche meine aktuelle Mission ab und mache einen Abstecher in eine Taverne, deren Besitzer früher einmal als Vorsteher der Stallungen von Budhaius von der Östlichen Erleuchtung gearbeitet hat. Als der Zauberer vor einem Jahr seine Toga abgegeben hat, saß der Vorsteher plötzlich auf der Straße. Er hat seine Ersparnisse in eine Taverne gesteckt, was auch ganz gut zu ihm passte. Ich habe seinen Sohn einmal vor einer Anklage wegen Körperverletzung bei einer Straßenschlägerei bewahrt, und seitdem hat er mir ein-oder zweimal mit seinem Wissen über die Angestellten und Diener unserer Stadtzauberer geholfen.
»Lisutaris’ Sekretärin? Sicher erinnere ich mich an sie. Avenaris. Nervöses kleines Ding, das. Ist die Tochter von Lisutaris’ älterem Bruder. Als der im Krieg gefallen ist, hat die Herrin des Himmels sie aufgenommen und kümmert sich seitdem um sie. Was hat sie denn ausgefressen?«
»Nichts, wovon ich wüsste. Aber warum ist sie so nervös?«
»Wer weiß?«
Mehr kann er mir jedoch auch nicht verraten. Avenaris war nie in Schwierigkeiten und ist eine loyale Angestellte. Kein Skandal, keine Liebhaber, einfach nur nervös. Ich danke ihm, gebe ihm Geld für einige Drinks und begebe mich wieder an meinen Auftrag.
Professor Toarius lebt in Thamlin. Ich bin immer wieder überrascht, wie sauber und ordentlich es hier ist. Nirgendwo liegt Müll auf der Straße, an den Ecken stehen keine Bettler herum, und nirgendwo suchen Straßenköter hungrig nach Abfällen. Die Bürgersteige sind mit blassgelben und grünen Fliesen gepflastert, ein untrügliches Merkmal der wohlhabenderen Viertel Turais. Die großen Villen liegen alle ein ganzes Stück von der Straße entfernt und werden zusätzlich durch ausgedehnte Gartenanlagen von ihr getrennt. Auf den Straßen ist es ruhig. Die gut erzogenen Dienstboten schleppen Proviant in die Heime ihrer Brötchengeber. Und überall zeigt sich die Zivilgarde, deren Aufgabe vor allem darin besteht, unerwünschten Besuch fern zu halten.
Als eine offiziell wirkende Karosse neben mir anhält, habe ich einen Moment lang das Gefühl, dass ich eine dieser unerwünschten Personen bin. Ich bin erstaunt, als die Vorhänge der Karosse zurückgezogen werden und der Konsul höchstpersönlich mir zuwinkt. Ich bin Konsul Kahlius zwar schon vorher begegnet, hätte aber nie gedacht, dass Turais ranghöchster Bonze selbst nach mir die Straßen absucht.
»Steigt ein!«, befiehlt Kahlius.
Ich tue ihm den Gefallen.
»Wohin fahren wir?«
»Wir fahren nirgendwohin.«
Kahlius muss etwa sechzig Jahre alt sein. Seine Toga ist goldgesäumt, wie es seinem
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