Der Grüne Strahl
sondern weiter im Westen, selbst etwas nach
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Norden, da die ersten Tage des August den Äquinoktien des
Septembers noch um 6 volle Wochen vorangehen.
Doch darauf kam es unseren Reisenden weniger an, es
war doch ein Meereshorizont, der sich jetzt vor dem Blick
von Miss Campbell ausbreitete. Jenseits des Zwischenraums
zwischen den Inseln Cumbray, jenseits der großen Insel
Bute, deren Profil durch feinen Dunst gemildert erschien,
und jenseits der kleinen Kämme des Aisla Craig und der
Berge von Arran flossen der Himmel und das Wasser in ei-
ner wie mit dem Lineal gezogenen Linie zusammen.
Völlig in Gedanken versunken und ohne ein Wort zu
sprechen, gab sich Miss Campbell der Betrachtung des vor
ihr liegenden Bildes hin. Auf der Kommandobrücke unbe-
weglich stehend, warf die Sonne nur einen kurzen Schatten
zu ihren Füßen. Sie schien die Länge des Bogens zu mes-
sen, der jene noch von dem Punkt trennte, wo ihre Scheibe
in die Gewässer des Archipels der Hebriden untertauchen
mußte . . . vorausgesetzt, daß der jetzt so reine Himmel dann
nicht von dem Nebel der Dämmerung verhüllt wurde.
Da weckte eine Stimme die junge Träumerin aus ihren
sinnenden Gedanken.
»Es ist Zeit«, sagte Bruder Sib.
»Zeit? Wozu, lieber Onkel?«
»Es ist Zeit zu frühstücken«, erklärte Bruder Sam.
»Nun gut, dann gehen wir zum Frühstück«, erklärte Miss
Campbell.
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5. KAPITEL
Von einem Dampfer zum andern
Nach der zur Hälfte warmen, zur Hälfte kalten Mahlzeit –
im ›dining-room‹ der ›Columbia‹, war ein vortreffliches
Frühstück nach englischer Sitte aufgetragen worden – kehr-
ten Miss Campbell und die Brüder Melvill aufs Deck zu-
rück.
Helena konnte einen Aufschrei der Enttäuschung nicht
unterdrücken, als sie ihren Platz auf dem Spardeck wieder
eingenommen hatte.
»Wo ist mein Horizont hin?« rief sie.
Allerdings, ihr Horizont war nicht mehr vorhanden, son-
dern vor nur wenigen Minuten verschwunden. Der Damp-
fer lief jetzt, mit dem Bug nach Norden, durch die lange
Meerenge des Kyles of Bute.
»Das ist nicht schön, Onkel Sam!« beklagte sich das
junge Mädchen und verzog schmollend den feingeschnit-
tenen Mund.
»Aber mein liebes Kind . . .«
»Ich werde mir’s merken, Onkel Sib!«
Die beiden Brüder wußten nicht, was sie antworten soll-
ten, und doch konnte unmöglich jemand sie dafür verant-
wortlich machen, daß die ›Columbia‹ nach Änderung der
vorher eingehaltenen Richtung jetzt Richtung Nordwesten
dampfte.
Es gibt nämlich zwei verschieden Routen, um auf dem
Wasserweg von Glasgow nach Oban zu gelangen.
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Der eine, dem die ›Columbia‹ nicht gefolgt war, ist
der weit längere. Nach dem Anlaufen von Rothesay, dem
Hauptort der Insel Bute, der von seinem alten, aus dem
11. Jahrhundert stammenden Schloß beherrscht und nach
Westen von tiefen Tälern umrahmt wird, die ihn gegen
rauhe Winde von der Seeseite schützen, kann der Dampfer
noch weiter den Golf von Clyde hinabgehen, das östliche
Ufer der Insel passieren; dabei kam er in Sicht von Groß-
und Klein-Cumbray vorüber und gelangte in gleicher Rich-
tung bis zum südlichen Teil der Insel Arran, die fast gänz-
lich, vom Fuß ihres Felsenuntergrunds bis zum Gipfel des
Goatfell, der ziemlich 800 Meter über das Meer emporsteigt,
dem Herzog von Hamilton gehört. Hierauf legte der Steu-
ermann das Ruder um, so daß die Kompaßnadel sich wei-
ter nach Westen dreht; man umsegelt die Insel Arran, ferner
den langen Vorsprung der Halbinsel Cantyre, fährt an der
Westküste hinauf, dringt durch den zwischen den Inseln Is-
lay und Jura sich hinziehenden Sund in die Gigha-Straße
ein und erreicht dann den weit offenen Kreisabschnitt des
Firth of Lorn, dessen kurzer Schenkel ihn ein wenig ober-
halb Oban abschließt.
Wenn Miss Campbell alles in allem irgendeinen Grund
hatte, darüber zu klagen, daß die ›Columbia‹ nicht diesen
Kurs eingeschlagen hatte, so hatten vielleicht auch die bei-
den Onkel Ursache, es zu bedauern. Wenn man nämlich
längs des Küstengeländes von Islay hinfährt, wäre ihren Bli-
cken der alte Stammsitz der MacDonalds erschienen, die,
zu Anfang des 17. Jahrhunderts besiegt und vertrieben, den
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Campbells weichen mußten. Vor dem Schauplatz einer his-
torischen Tatsache, die sie selbst so nah berührte, hätten die
Brüder Melvill, ohne hier von Mrs. Bess und Patridge zu re-
den, ihre
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