Der Grüne Strahl
schnelles Auftre-
ten jenes Phänomens ihre Projekte zerstört zu sehen.
Da Miss Campbells Stimme von jeher die tonangebende
war, und sie für den Seeweg eintrat, wurde denn auch dieser
gewählt, und vom Landweg war keine Rede mehr.
»Zum Kuckuck mit diesem Grünen Strahl!« platzte Bru-
der Sam heraus, als Helena den Salon verlassen hatte.
»Und mit denen, die ihn erfunden haben!« tönte das
Echo seines Bruders Sib.
4. KAPITEL
Den Clyde stromabwärts
In der ersten Morgenstunde des folgenden Tages, des 2. Au-
gust, bestieg Miss Campbell in Begleitung der Brüder Mel-
vill und gefolgt von Patridge und Mrs. Bess den Frühzug in
der Bahnhofshalle von Helensburgh. Sie wollten rechtzeitig
in Glasgow den Dampfer erreichen, der bei seinen täglichen
Touren zwischen der Metropole und Oban an keinem Küs-
tenpunkt des Golfs anlegt.
Um 7 Uhr setzte der Zug die fünf Passagiere in der An-
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kunftshalle des Glasgower Bahnhofs ab, und ein Wagen fuhr
sie zur Broomielaw Bridge.
Dort erwartete der Dampfer ›Columbia‹ seine Fahrgäste;
aus seinen beiden Schornsteinen wirbelte in dichten Wol-
ken schwarzer Rauch empor, der sich mit dem noch ziem-
lich dicken Nebel auf dem Clyde mischte; schon fing jedoch
der Morgendunst an sich aufzulösen und die bisher blei-
erne Sonnenscheibe schmückte sich bereits mit einigen gol-
denen Tinten. Alles versprach einen schönen Tag.
Nachdem ihr Reisegepäck an Bord gebracht war, schiff-
ten sich Miss Campbell und ihre Begleiter sofort ein.
Eben jetzt sandte die Deckglocke etwaigen Nachzüglern
das dritte und letzte Zeichen zu. Dann stellte der Mechani-
ker die Maschine an, die einmal vor- und dann rückwärts
rotierenden Schaufelräder wirbelten mächtige gelbliche
Wellen auf, ein langer Pfiff, die Taue an Land wurden losge-
worfen und die ›Columbia‹ glitt bald in dem breiten Strom
dahin.
Im Vereinigten Königreich kommen Reisende schwer
dazu, sich zu beklagen. Es sind lauter prächtige Boote, wel-
che die Transportgesellschaften ihnen zur Verfügung stel-
len. Da gibt es keinen noch so beschränkten Wasserlauf,
keinen noch so kleinen See oder engen Golf, der nicht tag-
täglich von eleganten Dampfern durchfurcht würde. Es ist
also gar nicht zu verwundern, daß der Clyde in dieser Be-
ziehung besonders bevorzugt erscheint. Längs der Broomie-
law Street, an den Rampen des Dampfbootkais liegen auch,
am Heck wie am Achter mit lebhaften Farben geschmückt,
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unter denen Gold und Zinnober um den Vorrang streiten,
immer rauchend und bereit, viele Dampfer, um nach allen
Richtungen abzugehen.
Die ›Columbia‹ machte keine Ausnahme von dieser Re-
gel. Sehr lang, am Bug sehr schlank gebaut, in der Wasser-
linie sehr fein gehalten und versehen mit einer mächtigen
Maschine, die Schaufelräder von großem Durchmesser trieb,
gehörte sie zu den schnellsten Schiffen des Hafens. Das In-
nere bot in den Salons, den Einzelkabinen und Speisesälen
jeden erdenklichen Komfort; das Deck überragte ein geräu-
miges sogenanntes Spardeck mit Bänken und einzelnen, gar
noch gepolsterten Sitzplätzen und – durch ein Zelt von Se-
gelleinwand vor den Sonnenstrahlen geschützt – eine wirk-
liche, von einem zierlichen Bordgeländer umschlossene
Terrasse, wo die Passagiere die frische Luft und die herr-
liche Aussicht genossen.
An Reisenden fehlte es nicht. Sie kamen fast von über-
allher, aus Schottland wie aus England. Der Monat August
wird hier mit Vorliebe zu Ausflügen benützt, und darunter
sind wiederum die längs des Clyde und nach den Hebriden
vor allem beliebt. Hier gab es Familien von erstaunlicher
Kopfzahl, die der Himmel offenbar ganz besonders gesegnet
hatte; muntere junge Mädchen, etwas ruhigere junge Leute
und Kinder, die schon an die kleinen Zufälligkeiten einer
solchen Fahrt gewöhnt schienen; ferner Geistliche, die man
überhaupt viel auf allen Dampfern antrifft, mit dem hohen
Seidenhut auf dem Kopf, dem langen schwarzen Überrock
mit Stehkragen und die weiße Krawatte über die Weste hän-
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gend; dazu mehrere Bauern mit schottischen Mützen, die
durch ihr Benehmen ein wenig an die schwerfälligen alten
›Bonnet Lairds‹ erinnerten, wie man sie noch vor 60 Jahren
sah; endlich ein halbes Dutzend Fremde, Deutsche, die auch
im Ausland eine gewisse nachdenkliche Würde bewahren,
und zwei oder drei Franzosen, die auch außerhalb Frank-
reichs die angeborene
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