Der grüne Tod
erklimmen. Wie sollte man einen siebenhundert Meter hohen Stamm hochklettern? In welcher Höhe begannen diese unglaublichen Gewächse ihre ersten Äste auszustrecken?
Wie eine Kaskade aus buntem Glas rauschte etwas immens Großes, unglaublich Farbenprächtiges an der vorderen Sichtluke vorbei und war sofort wieder verschwunden. Das Shuttle geriet ein wenig ins Schlingern. Neugierig spähte Flinx nach links. Die fliegende Kreatur, oder was immer es gewesen sein mochte, war nicht mehr zu sehen, ihr farbiger Glanz nur mehr eine schwindende Erinnerung auf seiner Retina. Einen Augenblick lang war er in Versuchung, den Kurs zu ändern und ihr zu folgen, doch dann besann er sich eines Besseren. Wo eine Lufterscheinung war, da waren gewiss auch noch mehr.
Also gab es Flugwesen auf diesem Planeten, schlussfolgerte er, und ziemlich große noch dazu. Wie war es nur möglich, dass nähere Informationen über diese Welt offenbar in den Archiven des Commonwealth verloren gegangen waren? Schließlich stand sie, wie etwa Ulru-Ujurr, nicht unter Edikt. Man hatte sie schlicht und einfach vergessen.
Und er hatte sie nun ganz für sich allein.
Die Vibrationen wurden stärker, als die Triebwerke ihre Leistung erhöhten und gegen die dichte Atmosphäre zu arbeiten begannen. Durch das Sichtfenster konnte Flinx in den Baumwipfeln eine überströmende Farbenfülle erkennen, leuchtende Tupfer aus Zinnoberrot und Mattgelb inmitten des alles beherrschenden Grün. Blüten vielleicht, deren Strukturen aufgrund von Entfernung und Tempo verwischten.
Er lehnte sich zurück und vergewisserte sich, dass seine Gurte richtig saßen. Es war nicht auszuschließen, dass ihnen eine harte Landung bevorstand. Unter ihnen erwartete sie weder die plane Fläche eines Shuttlehafens noch ein breit asphaltiertes Rollfeld, das ein gewisses Maß an Fehlern durchaus verzieh; von einem Kontrollturm gar nicht zu reden. Das Einzige, was er hatte, war die Zusicherung der Teacher, dass eine Landung gerade noch im Bereich des Durchführbaren lag.
In der Ferne konnte Flinx nun einige gezackte, graue Kleckse erkennen, die sich über das Dach des Waldes erhoben, einsame Inseln in einem Ozean aus Grün. Das Summen des Shuttles steigerte sich zu einem Heulen, als es sanft von den Staustrahldüsen auf die VTOLs umschaltete. Die Vorwärtsbewegung verlangsamte sich, und steil stürzte es auf einem heißen Luftkissen hinab in die Tiefe. Flinx schloss die Augen.
Ein Ruck erschütterte das Schiff, und Flinx’ Finger spannten sich um die Armauflagen. Dann kam das Shuttle zur Ruhe, und das Heulen verebbte. Eine ohrenbetäubende Stille senkte sich über das Shuttle. Er war gelandet.
Flinx schaute nach draußen. Große Felsbrocken überragten das verzweifelt in die Höhe strebende Grün, weniger als ein halbes Dutzend Meter von der vorderen Landestütze entfernt. Auf der Heckseite war die freie Fläche etwas größer. Unter Anleitung der Teacher hatte das Shuttle eine perfekte Landung hingelegt.
Noch während er aus den Pilotengurten schlüpfte, überprüfte Flinx noch einmal die bereits zuvor gemachten Beobachtungen der Teacher. Es handelte sich tatsächlich um eine atembare Atmosphäre. Zusammen mit dem hohen Sauerstoffgehalt versprach die noch etwas unterhalb der T-Norm liegende Schwerkraft die besten Voraussetzungen für eine kleine Exkursion.
Eine erste mikrobiologische Untersuchung ergab, dass die Luft von Abermillionen kleiner und kleinster Organismen erfüllt war. Doch das war auf einer so fruchtbaren Welt kaum anders zu erwarten. Den Ergebnissen einer detaillierteren Analyse nach gab es unter ihnen jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit keinen, der ihm als jemanden, der nicht von diesem Planeten stammte, ernsthaften Schaden zuzufügen vermochte.
Trotzdem würde er die Luftschleuse benutzen, als eine reine Sicherheitsmaßnahme. Es war besser, die Atmosphäre innerhalb des Shuttles unangetastet zu lassen. Und um Energie zu sparen, würde er über die ausfahrbare Rampe aussteigen, anstatt sich des internen Hochleistungslifts zu bedienen.
Als Flinx das Außenschott aufstieß, schlug ihm die Schwüle wie ein heißes, feuchtes Handtuch ins Gesicht.
Die Schwüle und der Ansturm fremdartiger Gerüche.
Deren Duftpalette reichte von der subtilen Andeutung eines exquisiten Parfüms bis hin zu etwas, das grauenhafter als eine aus allen Nähten platzende Müllentsorgungsanlage stank.
Es bedurfte einiger Anstrengung, sich klarzumachen, dass er auf das Dach eines gigantischen
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