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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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anzurufen, die tatsächlich Ash hieß, wie die Visitenkarte besagte, die sie ihm vor drei Jahren nach dem Spaß einer Nacht gegeben hatte, falls man es denn Spaß nennen konnte; eine Frau, mit der er sich nie wieder in Verbindung gesetzt hatte, es war ihm nie danach zumute gewesen. Aber jetzt wollte er sie anrufen, weil er um sein Leben fürchtete. Obgleich – war er nicht eher verrückt als dem Tode geweiht?
    Karl Ástuson trat vor dem Fenster von einem Fuß auf den anderen wie ein kleiner Junge, der muss. Er wandte sich abwechselnd vom Fenster weg und wieder hin, denn er hatte buchstäblich keine Ahnung, wohin mit sich. Er hatte zwar ein Gefühl, dass er sich in eine bestimmte Richtung wenden sollte, auf Gedeih oder Verderb. Aber andererseits war da nichts, was ihm verbot, bis zum Morgen unschlüssig vor dem Fenster herumzuhängen und zuzusehen, wie ein summendes Meer und eine schweigende Erde zusammenfanden.
    Schließlich war der Gast jedoch gezwungen, eine bestimmte Richtung einzuschlagen und sich auf den Flur hinauszuwagen. Er hörte den lauten Atem der schlafenden Frau, sie hatte ihre Tür nicht zugemacht, genau wie eine Mutter, die stets wachsam ist und auf Geräusche ihres Kindes hört. Und sofort aus dem Schlaf hochschreckt, sobald es einen Mucks von sich gibt, gleichgültig, in welchem Traum sie sich befindet.
    Da er nun schon einmal auf dem Flur war, lag es nahe, in den Keller zu gehen und sich die Sauna anzusehen. Sie war unerwartet groß, in der Zelle hätten mindestens zehn Menschen Platz gefunden. Außerdem gab es dort eine große Jacuzzi-Wanne über Eck und eine Duschkabine mit stromlinienförmigen Armaturen und einem überdimensionalen Massageduschkopf. Wie in einem Luxushotel und alles auch entsprechend sauber. Wieso hatte er nie in einem Hotel mit Privatsauna im Zimmer übernachtet? Wozu mit irgendwelchen Unbekannten in die Sauna gehen? Oder überhaupt mit anderen?
    Er ließ Wasser in die Wanne einlaufen. Der dräuende Tod konnte warten, falls er denn überhaupt in Lebensgefahr schwebte. Nun musste er einfach zuerst unter die Dusche, und er beeilte sich, aus der viel zu weiten Schlafanzugjacke herauszukommen, die vielleicht einem Toten gehörte. Er entschloss sich, die Hose anzubehalten. Er war viel zu wehrlos in diesem Keller, ohne etwas zum Anziehen, ohne Telefon.
    Er ging nach oben, um seine Sachen und seine Schuhe zu holen. Die Frau des Hauses war anscheinend aufgewacht. Er unternahm keine weiteren Schritte, bis sie wieder in den Schlaf gesunken war. Dann schlich er sich wie ein nächtlicher Dieb zurück in den Keller und hängte seine Sachen an einen Haken.
    Er kalkulierte die Badezeremonie genau durch. 1) Dusche und gründliche Säuberung, 2) Jacuzzi mit Massage, 3) Sauna, 4) kalte Dusche, 5) Sauna, 6) zum Schluss leichtes Abspritzen.
    Er war bei Planungsstufe 2 angelangt, ein dahinschmelzender Mann im heißen Jacuzzi, als Doreen Ash Volldampf voraus in sein Bewusstsein hineinsegelte. Kein Wunder, denn es bedurfte wohl einer Expertin, um ihn aus dieser Silberstrandfalle zu retten.
    Er stand auf und angelte sich ein Badehandtuch für zwei Personen, trocknete Brust und Arme, langte nach seiner Jacke und fischte sein Handy und ihre Visitenkarte heraus. Ihn schwindelte, als er sich wieder in das heiße Wasser setzte, und die Zahlen auf der Digitalanzeige verschwammen, als er die Nummer einer gewissen Psychiaterin und Buchautorin in New York eingab.
    Er war überzeugt, bei einer falschen Nummer zu landen, so verschwommen, wie diese Zahlen gewesen waren. Obwohl die heisere Frauenstimme am anderen Ende der Leitung nicht vertraut klang, sagte er seinen Namen.
    Das Schweigen dauerte so lange, dass er kurz davor stand zu fragen: Habe ich mich vielleicht verwählt?, als die Frau wie aus weiter Ferne plötzlich sagte: Einen Augenblick.
    Er sagte ja und verharrte weiter in einem Schweigen, das unangemessen lange währte.
    Als Doreen Ash wieder ans Telefon kam, klang ihre Stimme wie gewohnt. Keine Spur unnatürlich. Ob sie sich an Carl Astason erinnerte? Ja, und ob. Und es hatte beinahe den Anschein, als hätte sie genau an diesem Abend mit einem Anruf von ihm gerechnet. Und nein, er störte sie überhaupt nicht, sie hatte jede Menge Zeit.
    Der Anrufer vom Silberstrand setzte gerade an, sich zu bedanken, aber er wurde mitten im Satz unterbrochen:
    Rufst du von irgendwo am Meer an, ich höre es plätschern.
    Doreen Ash hatte offensichtlich getrunken. Aber sie hielt sich gut.
    So gesehen bin ich eher im

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