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Der gute Mensch von Sezuan

Der gute Mensch von Sezuan

Titel: Der gute Mensch von Sezuan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Aber ich müßte noch wissen, ob der Laden schuldenfrei ist.
    SUN Antworten Sie.
    SHUI TA Der Laden ist schuldenfrei.
    SUN Wann wären die 300 zu bekommen?
    DIE HAUSBESITZERIN Übermorgen, und Sie können es sich ja überlegen. Wenn Sie einen Monat Zeit haben mit dem Verkaufen, werden Sie mehr herausholen. Ich zahle 300 und das nur, weil ich gern das Meine tun will, wo es sich anscheinend um ein junges Liebesglück handelt. Ab.
    SUN nachrufend: Wir machen das Geschäft! Kistchen, Töpfchen und Säcklein, alles für 300, und der Schmerz ist zu Ende. Zu Shui Ta: Vielleicht bekommen wir bis übermorgen woanders mehr? Dann könnten wir sogar die 200 zurückzahlen.
    SHUI TA Nicht in der kurzen Zeit. Wir werden keinen Silberdollar mehr haben als die 300 der Mi Tzü. Das Geld für die Reise zu zweit und die erste Zeit haben Sie?
    SUN Sicher.
    SHUI TA Wieviel ist das?
    SUN Jedenfalls werde ich es auftreiben, und wenn ich es stehlen müßte!
    SHUI TA Ach so, auch diese Summe müßte erst aufgetrieben werden?
    SUN Kipp nicht aus den Schuhen, Alter. Ich komme schon nach Peking.
    SHUI TA Aber für zwei Leute kann es nicht so billig sein.
    SUN Zwei Leute? Das Mädchen lasse ich doch hier. Sie wäre mir in der ersten Zeit nur ein Klotz am Bein.
    SHUI TA Ich verstehe.
    SUN Warum schauen Sie mich an wie einen undichten Ölbehälter? Man muß sich nach der Decke strecken.
    SHUI TA Und wovon soll meine Kusine leben?
    SUN Können Sie nicht etwas für sie tun?
    SHUI TA Ich werde mich bemühen. Pause. Ich wollte, Sie händigten mir die 200 Silberdollar wieder aus, Herr Yang Sun, und ließen sie hier, bis Sie imstande sind, mir zwei Billetts nach Peking zu zeigen.
    SUN Lieber Schwager, ich wollte, du mischtest dich nicht hinein.
    SHUI TA Fräulein Shen Te …
    SUN Überlassen Sie das Mädchen ruhig mir.
    SHUI TA Wird vielleicht ihren Laden nicht mehr verkaufen wollen, wenn sie erfährt …
    SUN Sie wird auch dann.
    SHUI TA Und von meinem Einspruch befürchten Sie nichts?
    SUN Lieber Herr!
    SHUI TA Sie scheinen zu vergessen, daß sie ein Mensch ist und eine Vernunft hat.
    SUN belustigt: Was gewisse Leute von ihren weiblichen Verwandten und der Wirkung vernünftigen Zuredens denken, hat mich immer gewundert. Haben Sie schon einmal von der Macht der Liebe oder dem Kitzel des Fleisches gehört? Sie wollen an ihre Vernunft appellieren? Sie hat keine Vernunft! Dagegen ist sie zeitlebens mißhandelt worden, armes Tier! Wenn ich ihr die Hand auf die Schulter lege und ihr sage »Du gehst mit mir«, hört sie Glocken und kennt ihre Mutter nicht mehr.
    SHUI TA mühsam: Herr Yang Sun!
    SUN Herr … wie Sie auch heißen mögen!
    SHUI TA Meine Kusine ist Ihnen ergeben, weil …
    SUN Wollen wir sagen, weil ich die Hand am Busen habe? Stopf's in deine Pfeife und rauch's! Er nimmt sich noch eine Zigarre, dann steckt er ein paar in die Tasche, und am Ende nimmt er die Kiste unter den Arm. Du kommst zu ihr nicht mit leeren Händen: bei der Heirat bleibt's. Und da bringt sie die 300, oder du bringst sie, oder sie, oder du! Ab.
    DIE SHIN steckt den Kopf aus dem Gelaß: Keine angenehme Erscheinung! Und die ganze Gelbe Gasse weiß, daß er das Mädchen vollständig in der Hand hat.
    SHUI TA aufschreiend: Der Laden ist weg! Er liebt nicht! Das ist der Ruin. Ich bin verloren! Er beginnt herumzulaufen wie ein gefangenes Tier, immerzu wiederholend »Der Laden ist weg!«, bis er plötzlich stehenbleibt und die Shin anredet. Shin, Sie sind am Rinnstein aufgewachsen, und so bin ich es. Sind wir leichtfertig? Nein. Lassen wir es an der nötigen Brutalität fehlen? Nein. Ich bin bereit, Sie am Hals zu nehmen und Sie solang zu schütteln, bis Sie den Käsch ausspucken, den sie mir gestohlen haben, Sie wissen es. Die Zeiten sind furchtbar, diese Stadt ist eine Hölle, aber wir krallen uns an der glatten Mauer hoch. Dann ereilt einen von uns das Unglück: er liebt. Das genügt, er ist verloren. Eine Schwäche und man ist abserviert. Wie soll man sich von allen Schwächen freimachen, vor allem von der tödlichsten, der Liebe? Sie ist ganz unmöglich! Sie ist zu teuer! Freilich, sagen Sie selbst, kann man leben, immer auf der Hut? Was ist das für eine Welt?
    Die Liebkosungen gehen in Würgungen über.
    Der Liebesseufzer verwandelt sich in den Angstschrei.
    Warum kreisen die Geier dort?
    Dort geht eine zum Stelldichein!
    DIE SHIN Ich denke, ich hole lieber gleich den Barbier. Sie müssen mit dem Barbier reden. Das ist ein Ehrenmann. Der Barbier, das ist der Richtige für

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