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Der gute Stalin

Der gute Stalin

Titel: Der gute Stalin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Jerofejew
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will, der in London arbeitet, kommt auf einen englischen Trockenfrachter. Die Russen wollen immer gern die Plätze tauschen. Vor dem Ablegen fleht die zukünftige Mutter, in Tränen aufgelöst, meinen Vater an, sie mitzunehmen:
    »Wolodja, ich hab Angst unter all den Fremden.«
    Niemand hatte bemerkt, dass sie sich im Hotel bereits näher kennen gelernt hatten.
    »Gut, dass es keinen Gott gibt«, fährt Katja fort. »Wenn man schon sterben muss, braucht man wenigstens nicht in der Hölle zu braten.«
    »Wieso denn in der Hölle?«
    Katja zuckt die Schultern. Vater legt sich für sie ins Zeug, rennt hierhin, dorthin, jedoch ohne Erfolg:
    »Meine Engländer sind schlechter Stimmung«, sagt er im Hafen zu der schwangeren Schönen. »Das Auslaufen der Schiffe ist für den Dreizehnten festgelegt. Außerdem ist die Anwesenheit einer Frau auf einem Kriegsschiff, wie du weißt, ein schlechtes Omen.«
    Die Schotten, die auf dem Minensuchboot die Mehrheit der Besatzung stellen, lehnen die Frau ab, Vater aber nehmen sie freundlich auf. Der Kapitän, dessen Zähne vom Rauchen ganz braun sind, ordnet an, Vater erst einmal richtig einzukleiden, ihm eine gelbe Öljacke mit Kapuze zu geben, warme Wäsche, Stiefel und eine eigene Waffe – eine Mauser. Was doch richtige Kleidung ausmacht! Zum ersten Mal im Leben sieht Vater wie ein echter Mann aus – in der gelben Öljacke und mit der Mauser braucht er nichts zu fürchten.
    Kaum ist der Konvoi QP . 14 ins Weiße Meer eingefahren, wird er von einem deutschen Luftaufklärer ausgemacht. Und dann geht es los! Der Konvoi gibt dichtes Sperrfeuer gegen die Deutschen ab. Aber der Deutsche ist ein erfahrener Hund. Kurs auf Spitzbergen. Während der ganzen Fahrt dorthin wird der Konvoi durch große Geschwader von Torpedoflugzeugen He 177 und Sturzkampfflugzeugen Ju 88 erbarmungslos und ununterbrochen attackiert.
    Achtern sieht Vater auf dem Wasser eine Kette von brennenden Feuern. In eisigem Wasser und Lachen von brennendem Treibstoff sterben mit irren Stimmen schreiende Menschen. Ihnen wird niemand helfen: Der Konvoi hat den Befehl, ohne sich mit Rettungsversuchen aufzuhalten, mit voller Kraft voraus zu fahren, um den Feind abzuschütteln. Die deutsche Luftwaffe jagt den Konvoi bis an den Rand des Packeises vor Nowaja Semlja, aber auch da schlägt sie zu, obwohl sie, um Treibstoff zu sparen, nicht lange in der Luft über dem Feind verbleiben kann.
    Wladimir lernt allmählich, unter den Bomben zu leben. Seine natürliche Neugier meldet sich. Sagen Sie, Kapitän!
    »Die ›Lord Middleton‹ ist ein Walfischfänger, der zu Beginn des Krieges umgerüstet wurde. Meine Besatzung besteht aus 52 Mann. Das Schiff ist mit je einem Geschütz an Bug und Heck bestückt, mit zwei großkalibrigen Maschinengewehren auf der Brücke plus einem Wasserbombenabwurfgerät. Und die gute Nachricht: Katja hat ihr Kind zur Welt gebracht.«
    »Ach was?«
    »Heute früh. In Island stoßen wir mit Sekt darauf an. Die deutschen Flugzeuge haben es nicht direkt auf uns abgesehen, obwohl wir permanent manövrieren müssen. Glauben Sie mir, sobald wir hinter Spitzbergen in den Atlantik kommen, wird es leichter.«
    Wladimir wird zugeben müssen, dass das russische Sprichwort »wie ins Wasser schauen«, was so viel bedeutet wie »klar sehen«, in diesem Fall nicht zutrifft. Die Durchfahrt zwischen Spitzbergen und Norwegen erweist sich als äußerst gefährlich. Die deutsche Luftwaffe will keine Ruhe geben. Sie hätte wahrscheinlich den ganzen Konvoi vernichtet, doch da kommt arktischer Nebel auf. Der Konvoi bedeckt sich mit einem Leichengewand. Die deutschen Flugzeuge hatten noch kein Radar. Die stärksten deutschen Schiffe sind nicht ausgelaufen. Hitler hat entschieden, seine Flotte nicht zu riskieren.
    Nichtsdestoweniger gelingt es der deutschen Luftwaffe, vor der Bäreninsel einige Schiffe zu versenken. Die beiden fröhlichen Kartenspieler, die diplomatischen Kuriere, verbrennen bei lebendigem Leib. Sie wollten die Säcke mit der längst veralteten Post nicht auf dem brennenden Schiff zurücklassen. Am selben Tag ertrinkt auch Katja Warennikowa zusammen mit ihrer Tochter, die die englischen Matrosen wegen ihrer Geburt auf dem Meer Marina getauft hatten.
    Im Atlantik wird der Konvoi von deutschen U-Booten empfangen. Die Unterseeboote mit dem Hakenkreuz nähern sich dem Konvoi dreist über Wasser, dann gehen sie auf Tauchstation und beginnen, ihn von allen Seiten zu torpedieren. Eine heftige Druckwelle schleudert Vater, der

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