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Der gute Stalin

Der gute Stalin

Titel: Der gute Stalin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Jerofejew
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fetter Happen? Im Apparat wurde man über das kurze Gespräch zwischen den Führern in Kenntnis gesetzt.
    »Wjatsch, für nichts wird man bei uns nicht verhaftet«, sagte Stalin zu Molotow. In privaten Gesprächen nannte er ihn beinahe auf amerikanische Art mit abgekürztem Vornamen. Stalin ließ gern die Ehefrauen seiner nächsten Mitstreiter verhaften, die von Kalinin z.B., von Woroschilow und dem besagten Poskrjobyschew. Jedes Mal erwartete er gespannt, mit welchem Hundeblick sie ihn am nächsten Morgen ansehen, wie sie herumdrucksen, mit welchen Worten sie ihn um deren Freilassung bitten würden. Da trank die Shemtschushina im dekolletierten Kleid Sekt auf Kreml-Empfängen, duftete nach Parfüm, erinnerte sich, dass sie Nadja Allilujewa als Letzte lebend gesehen hatte, lächelte majestätisch den Volkskünstlern zu, klopfte dem schönen Tscherkassow, der Iwan den Schrecklichen gespielt hat, auf die Schulter, und nun muss sie auf der Lubjanka nackt ihre Arschbacken auseinander schieben und auf Befehl des Gefängnisarztes ihren Anus zeigen. Auf die Bitten Poskrjobyschews, so Vater, antwortete Stalin scherzhaft:
    »Wir finden eine bessere Frau für dich.«
    Molotow musste wie andere auch die Verhaftung seiner Frau hinnehmen, aber ab diesem Zeitpunkt war er nach jeder Unterredung mit Stalin in äußerst gereiztem Zustand. Papa betrachtete seine Arbeit im Kreml, besonders in der ersten Zeit, als das Wunder der lebendig gewordenen Porträts. Stalin, Molotow, Kalinin, Kaganowitsch, Woroschilow, Berija hingen in millionenfacher Ausführung, auf Fotos und gemalten Porträts gleichermaßen identisch, im ganzen Land. Molotow war immer gleich Molotow: Sein reserviertes, provinzielles Lächeln hatte etwas Katzenhaftes, ungreifbar Angewidertes, als ob soeben ein Stück Scheiße an ihm vorbeigeflogen wäre. Als aber dieses Porträt seine porträthaften Züge verlor, aus sich heraustrat und den millionenfachen Kanon zerstörte, schien das Ende der Welt anzubrechen. Molotow verwandelte sich in einen wütenden Kater (hat Bulgakow vielleicht nach ihm seinen Behemoth gezeichnet?) mit Zwicker auf der Nase. Wenn der Kater von Stalin kam, schleuderte er seinen Mitarbeitern die Aktendeckel auf den Tisch und brüllte:
    »Was sitzt ihr da herum, ihr Tölpel?! An die Arbeit!«
    *
    Eingedenk der Anschnauzer von Molotow sagte Vater, am meisten habe er wegen Ilja Ehrenburg abbekommen. Ende des Krieges schrieb Ehrenburg, zu jener Zeit wohl einer der populärsten sowjetischen Schriftsteller, eine schrille Missgeburt aus Kubismus und Paris, bewusst den Klassenansatz ignorierend, einen Artikel darüber, dass die deutschen Arbeiter und Bauern, mit denen er in Königsberg nach der Einnahme der Stadt durch die Rote Armee diskutiert habe, immer schon Hitlers Eroberungspläne unterstützt hätten, da sie die Russen am liebsten zu ihren Kulis gemacht hätten. Ehrenburg verlangte in verschleierter Form (ein sehr durchsichtiger Schleier) umfassende Rache, wobei er den sowjetischen Stil des Artikels dem beleidigten Nationalgefühl unterordnete. Molotow, der unter anderem die Aufsicht über die außenpolitische Zeitschrift Fragen der internationalen Arbeiterbewegung hatte, in der Ehrenburgs Artikel abgedruckt werden sollte, verlangte, dass er ihn umarbeitete. Er trug Vater auf, dem Autor Folgendes zu erklären:
    »Der Krieg geht zu Ende, wir müssen in Deutschland nach gesunden Kräften suchen, nach irgendeiner Stütze, und nicht alles und jeden schwarz malen.«
    Was war daran schwer zu verstehen? Vater machte sich auf den Weg, um den Auftrag des »Hausherrn« zu erfüllen. Bei der Wohnung des Schriftstellers angekommen, fühlte er sich wie ein Abgesandter höherer Mächte. Ehrenburg erschien im Flur. Wie üblich in solchen Fällen, war die »Schriftstellerberühmtheit« kleiner, als sie hätte sein sollen. Außerdem hatte er ein ausgezehrtes, gelbes Gesicht mit großen Säcken unter den Augen wie von permanentem Saufen.
    »Bitte.«
    In seinem Arbeitszimmer setzten sie sich.
    »Wjatschelaw Michailowitsch bittet Sie nachdrücklich …«
    Ehrenburg verstand alles beim ersten Satz, und ihm wurde langweilig wie jedem Schriftsteller, dem gesagt wird, er müsse etwas an seinem Text ändern. Während er Vater feindselig anhörte, wurde er noch gelber.
    »Alles, was ich geschrieben habe, ist die Wahrheit, und ich beabsichtige nicht, irgendetwas zu ändern.«
    Erstmals, solange Vater zurückdenken konnte, zeigte Molotows Autorität keine automatische Wirkung. Vater

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