Der Gute Ton 1950
dritten Person mit uns
spricht. Andererseits ist es bedauerlich, wenn man hört, in welchem
Ton Dienstmädchen heute mit ihrer Herrschaft sprechen. Wie mögen
sie erst unter sich oder Dritten gegenüber über die Herrschaft
sprechen. Sicher ist die Dame des Hauses »die« und der Hausherr
»der« benannt. Es liegt nicht zuletzt an der Herrschaft, diese
Geringschätzung gar nicht erst aufkommen zu lassen.
DIE HERRSCHAFT UND DAS PERSONAL.
Das Personal hat wie jeder Mensch, der arbeitet, Anspruch, vom
Arbeitgeber respektiert zu werden. Der Lohn macht aus dem
Hauspersonal keine Sklaven, über die man zu jeder Tages- und
Nachtstunde verfügen darf. Man muss mit den Hausgehilfen höflich
sprechen und die Anordnungen, gerade weil es Anordnungen sind,
nicht in einem Befehlston geben. Man sagt nicht: »Machen Sie das«,
sondern »Machen Sie das bitte«. Das Bitte kostet keine
Mehranstrengung, aber das Personal wird diese kleine Höflichkeit
schätzen. Natürlich soll ein Mädchen nicht vielleicht zwanzigmal am
Tage von Verehrern angerufen werden, aber es kann eine dringende
Nachricht ruhig durch das Telephon erhalten. Seine Briefe sind keine
»offenen Briefe«, die Herrschaft hat Anspruch auf Arbeitsleistung, aber
nicht auf private Geheimnisse. Kein Mädchen wird einer Hausfrau
glauben, dass sie aus »Versehen« einen Brief der Hausgehilfin öffnete.
Eine Hausfrau soll vom Dienstmädchen nie verlangen, dass es aus
dem privaten Leben seiner früheren Herrschaft erzählt, sie setzt sich
dadurch in den Augen des Mädchens herab. Ein Hausmädchen und
ein Chauffeur sind keine Helfer der Polizei; man wählt sie auch nicht
als Vertraute.
DAS PERSONAL DER FREUNDE.
Es empfiehlt sich nicht, das Personal seiner Freunde einzustellen. Sie
haben viel über ihre frühere Herrschaft zu erzählen und sind
überzeugt, dass es ihre erste Pflicht gegenüber ihrem neuen
Arbeitgeber ist, ihm alles anzuvertrauen. Wir wissen, dass eine gute
Hausgehilfin schwerer zu finden ist als eine Nadel in einem Fuder
Heu, aber dies rechtfertigt noch nicht, dass man seinen Freunden ein
Dienstmädchen »ausspannt«, das man bei einer Einladung in deren
Hause schätzen lernte.
DAS PERSONAL UND DIE KINDER.
Kinder dürfen den Hausgehilfen gegenüber keine hochmütige
Haltung einnehmen. Sie rufen das Hausmädchen bei ihrem
Vornamen, die Hausgehilfen nennen kleine Kinder beim Vornamen,
wenn sie älter sind, setzen sie »Herr« oder »Fräulein« voran. Wenn die
Kinder vor dem Personal von ihren Eltern sprechen, sagen sie: »Mein
Vater, meine Mutter«; indes der Hausherr von seiner Frau dem
Mädchen gegenüber von der »gnädigen Frau« und die Frau des
Hauses einem Mädchen gegenüber von ihrem Mann als »der gnädige
Herr« spricht. Wenn das Mädchen länger im Hause ist, kann sie ruhig
»mein Mann« sagen.
BEI TISCH.
Die Hausgehilfen nehmen die Mahlzeiten nicht in der Gesellschaft
ihrer Herrschaft ein, das wird höchstens auf dem Land der Fall sein.
Wenn man nur einen Tisch zur Verfügung hat, wird das Hausmädchen
früher oder nachher essen. Hausmädchen sind keine Verwandten!
DER CHAUFFEUR.
Wenn der Fahrer in Uniform (Livree) ist, grüsst er mit der Hand an
der Mütze, ohne sie abzunehmen. Er nimmt die Mütze ab, wenn er aus
dem Wagen steigt, um die Türe zu öffnen; dabei verbeugt er sich.
DIE BEDIENUNG BEI EINEM EMPFANG
soll lautlos sein. Im allgemeinen benötigt das Personal keine
Anweisungen seiner Herrschaft, wenn alles vorher besprochen wurde.
Wenn es doch etwas zu fragen hat, wartet es einen Augenblick ab, in
dem die Hausfrau nicht gerade spricht, es beugt sich vor und spricht
mit leiser Stimme. Auch der Hausherr soll die Unterhaltung bei Tisch
nicht unterbrechen, um seinem Personal Anweisungen zu geben, er soll
sie auch nicht von weit her rufen. Das Personal soll sich auf einen
kleinen Wink hin nähern. Die Herrschaft, die ihre Hausgehilfen in der
Oeffentlichkeit tadeln, sind nicht nur verletzend ihrem Personal,
sondern auch unhöflich ihren Gästen gegenüber.
DIE BEKLEIDUNG DES HAUSPERSONALS
geht auf Kosten der Herrschaft; das Personal muss genügend
Uniformen oder Schürzen haben, um wechseln zu können. Ein
Hausmädchen soll immer sauber genug angezogen sein, um einem
Gast die Türe zu öffnen. Die Mädchen, die bei Tisch servieren, sollen
tadellos sauber gekleidet sein.
AUF DER STRASSE
grüsst das Mädchen die Herrschaft zuerst. Es wäre kleinlich, ihren
Gruss nicht zu
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