Der Gute Ton 1950
muss echt sein!
SOLL MAN PRAKTISCHE GESCHENKE MACHEN?
Abgesehen von Gelegenheiten, wie eine Hochzeit, bei der es sich
schickt, praktische Geschenke zu machen, sollte man eher
»unpraktische« oder »überflüssige« Gegenstände wählen. Man wird
immer glücklich sein, das zu erhalten, was die Sparmass-nahmen uns
verbieten, zu kaufen.
SCHMUCK.
Schmuck zu schenken überlässt man dem Ehepartner, Verlobten
oder den Angehörigen. Feueranzünder oder Zigarettenetuis in Gold
müssen als Schmuck betrachtet werden; sie sind umso
kompromittierender je grösser ihr Wert ist. Man kann einen
Feueranzünder in Metall schenken ohne für den guten Ruf oder seinen
Geldbeutel zu fürchten.
PARFÜMS
sind weniger intim als Schmuck, aber es ist eigentlich nicht richtig, ein
Parfüm zu schenken, weil es die Person, die es anwendet, auch selbst
wählen sollte. Man kann also ein Parfüm nur jemandem schenken, der
kein besonderes Parfüm bevorzugt.
BÜCHER.
Wie Blumen sind auch Bücher stets angebracht. Trotzdem empfiehlt
sich eine gewisse Vorsicht. Vor allen Dingen sollte man kein politisches
Buch schenken, eher klassische Werke, Kunstbücher oder
wissenschaftliche Bücher, welche die jeweilige Liebhaberei ansprechen.
PRALINEN
sind stets beliebt, wenn sie gut sind. Vor dem Krieg schenkte man oft
eine Schachtel, die man erhalten hatte, weiter. Und es kam vor, dass sie
zu ihrem ursprünglichen Spender zurückkam, der sie dann wieder
verschenken konnte. Es existiert eine heitere wahre Geschichte, dass
Frau Schmidt eine Schachtel Pralinen erhielt, gerade als sie Frau Müller
eine kleine Aufmerksamkeit schuldig war. Schnell nahm sie die an sie
adressierte Karte heraus, legte ihre Karte hinein, und sandte die
Pralinen Frau Müller. Auch diese war in der gleichen Verlegenheit,
und die Pralinenschachtel wanderte weiter — bis sie zufällig wieder zu
dem ersten Spender, Frau X. zurückkam!
UND WAS SOLL MAN SCHENKEN?
Grundsätzlich etwas, was dem Empfänger entspricht! Ein Spiel,
Bridgekarten, ein Lehrbuch, ein Schachspiel, einen Tennisschläger,
Bücher, Blumen usw. Wenn man nichts findet, was den Liebhabereien
des Empfängers entspricht, kann man ruhig etwas schenken, was
Ausdruck der eigenen Persönlichkeit ist: zum Beispiel kann ein Maler
selbstverständlich ein von ihm gemaltes Bild schenken — aber ein
Schuhmacher wird keine Schuhe schenken!
FAMILIENGESCHENKE.
Man soll der Familie gegenüber nicht weniger liebenswürdig sein als
Fremden gegenüber. Die schlechten Zeiten sind kein Grund, um keine
Geschenke zu machen. Man wählt einfachere und nützlichere
Gegenstände. Man wird kein Fest, keinen Namenstag oder Geburtstag
vorübergehen lassen, ohne sich gegenseitig ein wenig Freude zu
bereiten. Man vergesse besonders die Hochzeitstage nicht!
DER PREIS EINES GESCHENKS
muss ein Geheimnis bleiben. Man sollte sorgfältig achten, dass der
Verkäufer nicht vergisst, das Preis-Schildchen abzumachen. Es ist sehr
kleinlich, wenn man versucht, den Preis eines Geschenks zu erfahren.
WIE EMPFÄNGT MAN GESCHENKE.
Wenn das Geschenk durch einen Boten ins Haus gebracht wird,
bleibt der erste Eindruck verborgen. Wenn der Spender sein Geschenk
gelegentlich eines Besuches selbst mitbringt, müssen Sie das Päckchen
gleich öffnen. Sie müssen immer eine freudige Ueberraschung »auf
Lager« haben und Sie werden auch sogleich Ihren Dank aussprechen.
DER DANK.
Es ist ein Mangel an Taktgefühl, eine Anspielung, auch wenn sie
noch so versteckt ist, auf den Preis zu machen. Man sagt nicht: »Sie
haben sich ja ruiniert« oder »Sie haben einen Wahnsinn begangen«. Es
gibt andere Möglichkeiten, seinen Dank auszusprechen als zu
verstehen zu geben, dass man über den Preis unterrichtet ist, und dass
man als Kenner auf den Pfennig genau den Wert eines Geschenks
schätzen kann. Es ist für den Spender angenehmer, sein guter
Geschmack oder die glückliche Wahl des Geschenkes wird gelobt. Man
bedankt sich gleich persönlich; wenn dies nicht möglich ist, schriftlich.
Guten Freunden kann man sogar telephonisch danken, weil man den
Dank nicht länger anstehen lassen wollte. Man beantwortet nicht ein
Geschenk sofort mit einem Geschenk — das Weihnachtsfest ist eine
Ausnahme.
GLÜCKWÜNSCHE.
Man lässt keine Gelegenheit vorübergehen, um Glückwünsche
auszusprechen. Diese Glückwünsche werden vielleicht nicht immer
bemerkt, ob man sie mündlich oder schriftlich übermittelt. Aber man
wird es
Weitere Kostenlose Bücher