Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
ungläubig an. »Denkt Ihr, dass Viviën selbst den letzten Teil des Buches bewacht?«
Ignazio machte eine unbestimmte Handbewegung. »Das werden wir bald wissen.«
Eines allerdings ist sicher, dachte er, sobald er Viviën gegenüberstand, war der ihm einige Erklärungen schuldig.
74
Nachdem sie von den Hochebenen zum Pass von El Poyo ins Tal hinabgestiegen waren, drang die von Slawnik angeführte Gruppe zunächst Richtung Süden vor, ehe sie an einem Fluss nach Westen abbog und seinem Lauf folgte. Die beiden Männer ritten vorsichtig voran, dann folgte die Geisel auf dem dritten Pferd.
Seit Slawnik Uberto den Sack abgenommen hatte, saß der Junge aufrecht im Sattel, nur seine Hände waren gefesselt und seine Knöchel an den Steigbügeln festgemacht, um jeden Fluchtversuch zu unterbinden.
Uberto reiste nun schon seit einer Woche auf diese Weise mit ihnen. Er war erschöpft, zumal die beiden Reiter sich kaum eine Rast gönnten, oft nicht einmal in der Nacht.
Soweit er es erahnen konnte, war ihr Ziel Santiago da Compostela.
Seit sie die Berge hinter sich gelassen hatten, bemerkte Uberto auf der anderen Seite des Flusses einen schier unendlich langen Menschenstrom, der nach Westen zog. Sie gingen alle zu Fuß, auch die, die Karren und Pferde besaßen. Es handelte sich zweifelsfrei um einen Akt der Buße, das letzte Opfer der Pilger vor dem Erreichen des ersehnten Ziels, der heiligen Zitadelle.
Ob auch Ignazio und Willalme unter diesen Menschen waren? Dies schien ihm sehr wahrscheinlich. Bei diesem Gedanken zog sich Ubertos Herz zusammen. Er versuchte, sich einen Weg auszudenken, wie er sich befreien und fliehen könnte, aber Slawnik schien seine Überlegungen zu erahnen. Nachdem er ihm einen finsteren Blick zugeworfen hatte, kam er zu ihm und packte ihn am Kragen.
»Versuch ja keine Dummheiten, du weißt genau, was ich dann tun müsste«, knurrte er und fuhr sich mit dem Finger über die Kehle. Uberto bemerkte in dieser Drohung allerdings eine gewisse Unentschlossenheit, ja eine beinahe menschliche Regung, aber er wusste nicht, wie er dies deuten sollte.
Dann wandte sich Slawnik an seinen Gefährten: »Wir schlagen hier zwischen den Bäumen unser Lager auf. Heute Nacht betreten wir dann die Stadt.«
Die Viertel Santiagos waren buchstäblich von Pilgern überlaufen. In jedem einzelnen Winkel der Stadt drängten sich Grüppchen von Mönchen und Büßergemeinschaften oder waren Stände mit Devotionalien aufgebaut. Hier zu Pferde voranzukommen war so gut wie unmöglich, daher beschloss Ignazio, zu Fuß weiterzugehen.
»Wenn es dunkel wird, wird es ruhiger sein, und wir können uns frei bewegen«, sagte er.
Willalme nickte. »Endlich werden wir den Asclepius aus dem Rätsel suchen. Hast du schon eine Vorstellung, um wen oder was es sich dabei handelt?«
Dodiko sah den Händler schweigend an. Er war genauso gespannt wie der Franzose auf dessen Antwort.
»Asclepios war der griechische Gott der Medizin.« Ignazio zuckte mit den Schultern, als erkläre er etwas ganz Offensichtliches. »Dass sich das Rätsel auf ihn bezieht, ist kein Zufall: Der Engel Amezarak lehrte die Menschen die Magie der Pflanzen, und Asclepios benutzt die gleichen Mittel, um zu heilen.«
»Ja und?«, bedrängte ihn Dodiko. »Worum geht es genau?«
»Ich bin davon überzeugt, dass das Wort ›Asclepius‹ sowohl einen Ort als auch einen Menschen bezeichnet. Es handelt sich um eine Bibliothek auf der Westseite der Stadt. Dort haust seit Jahren ein alter Arzt, er ist Berber, der allen als Asclepios bekannt ist.« Ignazio lächelte, als er die ungläubigen Gesichter seiner beiden Gefährten sah. »Viviën und ich kannten ihn sehr gut. Dieser Mann ist höchst vertrauenswürdig.«
»Kann es wirklich so einfach sein?«, murmelte der Graf. »Ein so großes Geheimnis verbirgt sich hinter einem Kinderreim?«
»Gewöhnlich werden gerade die einfachsten Dinge übersehen«, sagte der Händler.
»Müssen wir in einer Bibliothek suchen?« Willalme schien neuen Mut zu fassen. »Das kommt mir nicht sehr gefährlich vor.«
»Sah die Kirche San Lorenzo etwa bedrohlich aus?«, erwiderte Ignazio. »Wir wissen nicht, was uns erwartet. Außerdem müssen wir noch damit rechnen, dass Dominus uns eventuell zuvorgekommen ist. In dem Fall würden uns bloß zwei Teile des Buches bleiben.«
»Nur zwei?« Graf Dodiko wirkte enttäuscht. »Ihr solltet doch schon drei besitzen!«
»Wir haben die Teile des ›Uter Ventorum‹ geborgen, die in Puente la Reina und in
Weitere Kostenlose Bücher