Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
Vom Netzwerk:
Herrn 1218, mensis maii 14
     
    Meister Ignazio, ich nehme Bezug auf den Brief, den Ihr mir vor wenigen Tagen von der Abtei von Pomposa habt zukommen lassen. Ich danke für die Schnelligkeit, mit der Ihr auf meinen Ruf geantwortet habt. Das Treffen ist für den nächsten Sonntag im Markusdom nach der Morgenmesse vereinbart.
    Stellt Euch auf eine lange Reise ein. Bei unserem Treffen werde ich Euch alle weiteren Einzelheiten enthüllen.
     
    Conte Enrico Scalò

ZWEITER TEIL
    DIE GEHEIME PHILOSOPHIE
    »Wahrhaftig, ohne Täuschung, gewiss und wahrheitsgetreu:
    Was unten ist, gleicht demjenigen, was oben ist, und was oben ist wiederum demjenigen, was unten ist, auf dass sie gemeinsam das Wunder des Einen Dinges vollbringen.«
    Hermes Trismegistos, »Tabula smaragdina«
     
     

14
    Der Markusdom erhob sich zwischen dem Dogenpalast und den Marktständen majestätisch über den Platz. Dieses Bauwerk mit dem kreuzförmigen Grundriss und den fünf Kuppeln war wirklich beeindruckend. Uberto bewunderte all den prachtvollen Marmor, die Säulen und die Kapitelle, die so anmutig und harmonisch an dem Gebäude angeordnet waren, dass es so wirkte, als würde es nach oben streben und sei doch gleichzeitig fest im Boden verankert. Schade nur, dass der Westteil der Basilika gerade umgebaut wurde und deshalb vollkommen von Gerüsten verdeckt war.
    Als der Junge seinen Blick nach unten wandte, fielen ihm die Fenster der Krypta, die auf einem Fundament aus Marmor ruhte, ins Auge. Sie musste sehr weiträumig sein, dachte er, nicht so beengt wie die in seinem kleinen Kloster an diesem abgeschiedenen Ort irgendwo zwischen den Lagunen. Ignazio legte ihm eine Hand auf die Schulter und führte ihn zur Vorderseite des Gebäudes, während er sich seinen Weg durch die lärmende Menge bahnte. Oberhalb des Hauptportals glänzten vier Bronzepferde in der Vormittagssonne.
    »Erstaunlich, nicht wahr? Sie gehörten zur Beute aus dem vierten Kreuzzug«, erklärte der Händler.
    Angesichts solcher Pracht wurde Uberto vom Gefühl der eigenen Bedeutungslosigkeit geradezu überwältigt. Er stand hier vor einem erhabenen Gebäude, mitten in einer Seefahrerstadt, die das stolze Konstantinopel herausgefordert und besiegt hatte. Und er, ein unerfahrener converso , der von der Welt noch nichts gesehen hatte, konnte nur fassungslos starren und staunen. Bevor sie die Basilika betraten, zog der Händler Willalme beiseite.
    »Warte hier draußen und halte Wache«, flüsterte er ihm zu. »Ich gehe mit dem Jungen hinein.«
    Der Franzose nickte, entfernte sich ohne ein Wort des Widerspruchs von seinen Reisegefährten und verschwand im Meer der Passanten und Bettler, um sich auf die Stufen vor dem Eingang der Kirche zu setzen.
    Nachdem sie den Lichtstreif, der den Vorraum erhellte, hinter sich gelassen hatten, tauchten Ignazio und Uberto in das Halbdunkel der Kirche ein. Sie schritten über den Mosaikfußboden, bis sie die Mitte des Hauptschiffs erreicht hatten. Dort konnte man genau erkennen, dass die vier Ausläufer des Gebäudes ein Kreuz bildeten. Jeder der Arme war in drei mit parallelen Säulenreihen ausgestattete Nebenschiffe unterteilt. Schweigende Schattengestalten wandelten im Kerzenschein durch die Kapellen.
    Uberto hatte den Kopf in den Nacken gelegt und konnte den Blick gar nicht mehr von der mit Goldmosaiken geschmückten Decke lösen.
    Ignazio straffte sich plötzlich, stieß Uberto leicht an, um sich seiner Aufmerksamkeit zu versichern, und räusperte sich. Ein Mann mit hoher Stirn und langem aschgrauen Haar näherte sich ihnen. Er trug eine gelbe, an den Säumen mit Stickereien eingefasste Tunika, dazu schwarze Hosen und Lederschuhe, über die Schultern hatte er einen roten Samtumhang gelegt. Es war Conte Enrico Scalò, ein reicher Patrizier, Freund des Dogen und Mitglied im Rat der Vierzig, den Ignazio schon lange Jahre kannte.
    Ignazio begrüßte ihn ehrerbietig. »Edler Herr, ich freue mich, Euch wiederzusehen.« Dann fügte er hinzu, weil er genau wusste, wie eitel der Mann war: »Ihr seht glänzend aus wie immer. Eines Tages müsst Ihr mir verraten, wie es Euch gelingt, Euch so hervorragend in Form zu halten.«
    »Meister Ignazio, das Geheimrezept heißt gutes Essen und schöne Frauen«, brüstete sich der Edelmann, doch er wurde sofort wieder ernst. »Ich freue mich sehr, dass Ihr meinem Ruf gefolgt seid. Ich möchte Euch eine wichtige Mission anvertrauen.«
    »Ich bin ganz Ohr. Oh, entschuldigt.« Ignazio wies auf seinen Begleiter. »Ich möchte

Weitere Kostenlose Bücher