Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
Mönchs bezog sich auf ein Buch, eine Kopie gewisser persischer Schriften, die einen Weg beschreibt, wie man Engel beschwören kann. Sobald einem dies gelungen ist, sollen die übernatürlichen Wesen bereit sein, einem die Geheimnisse der himmlischen Mächte zu enthüllen. Soweit ich weiß, ist in Ägypten Ähnliches bekannt.«
»Nicht nur dort, das ist Allgemeingut. Es gibt auch einen Namen für diese Wissenschaft, man bezeichnet sie als Theurgie .«
»Ich verstehe.«
Ignazio betrachtete den Conte weiterhin misstrauisch, obwohl dieses Thema seine anfängliche Sorge zunächst zerstreute. »Und wie soll dieses mysteriöse Buch heißen?«
»›Uter Ventorum‹.«
»›Uter Ventorum‹ – Schlauch der Winde –, davon habe ich noch nie gehört. Mal sehen, ob ich mir einen Reim darauf machen kann …« Ignazio verschränkte die Arme vor der Brust, senkte den Kopf und überlegte laut: »Die Engel reiten auf den Winden, und es heißt, sie seien selbst aus ätherischer Substanz, so ähnlich wie Luft, nur noch viel leichter. Doch was diesen Schlauch betrifft, dazu fällt mir nur einer ein: der, den Äolus benutzt hat, um für Odysseus die ungünstigen Winde einzuschließen. Man könnte annehmen, der Schlauch sei der Weg, ein Talisman, um sich die Engel zu unterwerfen und sie zu zwingen, sich zu zeigen.«
»Ich bin Eurer Meinung.«
»Allerdings war es für Odysseus überhaupt nicht vorteilhaft, als der Schlauch geöffnet wurde«, wandte Ignazio ein. »Und wie könnt Ihr sicher sein, dass es sich nicht um einen Schwindel handelt? Warum vertraut Ihr diesem Mönch so einfach?«
Der Conte zog die Augenbrauen hoch. »Ob ich ihm vertrauen darf, müsstet Ihr überprüfen.«
»Wie meint Ihr das?«
»Der Besitzer des Buches hat Euch als Mittler in diesem Geschäft angefordert, er will sich nur mit Euch treffen. Nur Euch wird er das ›Uter Ventorum‹ übergeben. Er behauptet, er kenne Euch sehr gut und schon seit langer Zeit. Versteht Ihr jetzt, warum ich Eure Dienste brauche? Da Ihr diesen Mönch kennt, werdet Ihr sicher in der Lage sein, festzustellen, ob man ihm trauen kann.«
»Darf ich erfahren, um wen es sich handelt?«, fragte Ignazio, dessen Misstrauen jetzt wieder wuchs.
»Viviën de Narbonne. Das ist sein Name, hat er gesagt.«
Ignazio fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Eine Welle von Erinnerungen überrollte ihn. »Viviën … Ich habe lange nichts mehr von ihm gehört, er ist schon seit Jahren wie vom Erdboden verschwunden.«
Er suchte Halt an einer Säule, dann verlor sein Blick sich ins Leere. Aus seinen Erinnerungen tauchte ein schmales Gesicht mit edlen Zügen auf. Dieser Mönch war von all seinen Reisegefährten der Außergewöhnlichste gewesen: Von einer leidenschaftlichen Neugier den dunklen Mächten gegenüber erfüllt, hatte er es häufig riskiert, der Ketzerei angeklagt zu werden. Ignazio sagte sich, dass die Entdeckung eines Buches wie des »Uter Ventorum« etwas war, das genau zu ihm passte.
Viviën de Narbonne und Ignazio hatte nicht nur Freundschaft, sondern auch die Geschäfte verbunden. Gemeinsam hatten sie viele Reliquien und wertvolle Schriften aus dem Orient mitgebracht, oft im Auftrag reicher Herren aus Deutschland und Frankreich. Alles war gut gegangen, bis sie Adolf, dem Erzbischof von Köln, eine Lieferung überbracht hatten. Danach hatten die beiden Gefährten eine entsetzliche Entdeckung gemacht: Sie fanden heraus, dass sie von einer in ganz Europa gefürchteten Geheimgesellschaft, der Heiligen Vehme, verfolgt wurden. Der Führer ihrer Abgesandten wurde Dominus genannt, besser bekannt als die Rote Maske.
Viviën und er waren der Gefahr nur um ein Haar entronnen und überstürzt nach Italien aufgebrochen. Doch bevor sie die Alpen überquerten, hatten sie sich getrennt, um ihre Spuren zu verwischen. Jahrelang hatten sie ihren Kontakt durch Briefe aufrechterhalten, doch dann hatte Ignazio auf einmal keine Nachricht mehr von seinem Freund bekommen.
Ignazio erinnerte sich, dass Viviën über seine zwanzigjährige Geschäftsbeziehung mit Conte Scalò Bescheid wusste. Nun hatte er sich wohl in seiner Not an den venezianischen Adligen gewandt, weil er keinen anderen Weg sah, ihn aufzuspüren.
Ignazio unterdrückte die Flut der Gefühle, die schlagartig in ihm aufgewallt war, und erlangte seine Fassung wieder. »Ja, Viviën de Narbonne ist nicht nur ein guter Freund, sondern auch ein vertrauenswürdiger Mensch. Doch woher können wir wissen, dass der Brief wirklich von ihm
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