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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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hinweg und erblickte die Leiche des Roten. Er lag immer noch so da, wie er ihn vor einer Stunde hatte fallen sehen. »Das ist Gothus Ruber, oder? Das ist der Mann, den wir gesucht haben«, sagte er und drehte sich nach seinen Gefährten um.
    Ignazio nickte argwöhnisch. »Woher weißt du das? Was hast du herausgefunden?«
    »Später erkläre ich dir alles. Jetzt ist keine Zeit dazu, hier, nimm das.« Willalme reichte ihm die Nachricht, die er dem Mann in der Herberge abgenommen hatte. »Das hat Gothus Ruber geschrieben, ehe er starb. Es betrifft den Teil des Buches, den er bewahrte.«
    Der Händler nahm das Pergament und las hastig:
    Secretum meum teneo
    Cum summa virtute
    Signatum cum igni
    Sub rosis in cute
    Uberto spähte ihm über die Schulter und übersetzte laut:
    Mein Geheimnis hüte ich
    Mit höchster Tugend
    Gezeichnet mit Feuer
    Unter den Rosen, auf der Haut
    »Aber was bedeutet das?« Willalme konnte seine tiefe Enttäuschung nicht verhehlen. »Habe ich etwa mein Leben für einen Kinderreim aufs Spiel gesetzt?«
    »Das glaube ich nicht«, beruhigte ihn Ignazio. »Es handelt sich um ein Rätsel, das uns ganz sicher das Versteck des ›Uter Ventorum‹ enthüllen wird beziehungsweise des Teiles, den der Rote aufbewahrte.«
    »Gezeichnet mit Feuer … Unter den Rosen versteckt«, murmelte Uberto. Plötzlich rief er aus: »Die Rosen! Wie in dem Rätsel von Viviën! Erinnert ihr euch an den zweiten Satz auf Provenzalisch? Temel esteit suz l’umbre d’un eglenter , ›Temel befindet sich unter dem Schatten eines Rosengartens‹. Gothus Ruber benutzt dieselben Worte. Wir müssen einen Rosengarten suchen!«
    »Du hast recht«, räumte Ignazio ein. »Aber hier gibt es keine Rosen, weder einen Garten noch Blumenbilder.«
    Willalme betrachtete die Leiche des Alchimisten und hatte eine Eingebung. »Sollte es wirklich so einfach sein?« Er zeigte auf den Körper. »Schaut doch.«
    Seine beiden Gefährten unterbrachen ihre Überlegungen und wandten ihm ihre Aufmerksamkeit zu: Der Franzose sprach selten, aber wenn er etwas sagte, schenkte man ihm besser Gehör.
    »Habt ihr nicht seine Haare bemerkt?«, fuhr Willalme fort. »Sie sind rot und lockig … wie Rosenknospen!«
    Uberto nickte schweigend, ohne den Sinn dieser Worte zu erfassen. Ignazios Gesicht hingegen hellte sich auf, und er verlor keine Zeit. Er schüttete dem Roten einen Krug Wasser über den Kopf, zog ein Messer hervor und rasierte dessen Schädel geschickt wie ein Barbier. Nachdem er diese Arbeit beendet hatte, drehte er sich mit unergründlichem Gesichtsausdruck zu den beiden anderen um.
    Ungläubig starrten die beiden auf Gothus Rubers Kopf. Auf der Schädelhaut war das Bild eines von geometrischen Figuren umgebenen Engels zu sehen.

    »Gezeichnet mit Feuer, auf der Haut … Aber natürlich, eine Tätowierung«, sagte Uberto. »Das Feuer bezeichnet den brennenden Schmerz, den der Rote dabei erduldete!«
    Ignazio nickte. »Er hat sein Geheimnis versteckt wie einst die Perser.«
    »Und was bedeutet es?«, fragte Willalme, wandte den Blick von der Abbildung und sah Ignazio an.
    »Ich habe noch niemals zuvor eine solche Zeichnung gesehen«, gestand Ignazio. »Es sieht aus wie ein Talisman, aber es scheint auch, als fehlte dort etwas.«
    Uberto betrachtete die Abbildung misstrauisch. »Was hat ein Talisman mit dem Buch zu tun?«
    Ignazio antwortete so begeistert, als hätte er einen Schatz von unermesslichem Wert gefunden: »Dieser Talisman ist der Teil des ›Uter Ventorum‹, der ihm von Viviën anvertraut worden war. Das geometrische Muster stellt dar, wie sich die himmlischen Mächte ineinanderfügen, es fasst die gesamte Lehre zusammen. Ich muss es mir sehr genau ansehen. Zudem ist unter dem Bild ein kurzer, doch sehr bedeutsamer Satz eintätowiert.«
    Uberto hatte das übersehen. Er musterte noch einmal den rasierten Schädel von Gothus Ruber auf der Suche nach Eingebungen und entdeckte zwei Worte unter der Zeichnung.
    PLENITVDO LVNAE
    » Plenitudo lunae , ›Bei Vollmond‹«, übersetzte Ignazio. »Es handelt sich um eine Anweisung für ein Ritual. Außerdem ist eine der Aufgaben des Engels Temel, die Mondphasen anzuzeigen …«
    »Wir sollten diesen Ort schnell verlassen«, unterbrach ihn Willalme. »Hier sind wir nicht sicher, gehen wir!«
    »Du hast recht«, stimmte ihm Ignazio zu.
    »Soll ich die Tätowierung abzeichnen?«, fragte Uberto und wollte schon sein Diptychon hervorziehen.
    »Du würdest zu lange brauchen.« Ignazio las die Besorgnis

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