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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Weiber als man braucht.
    Warum hast denn du keine, armer Gimpel? fragte Bachelard.
    Gueulin zuckte verächtlich die Achseln.
    Warum? … Gestern erst habe ich mit einem meiner Freunde und
seiner Geliebten gespeist. Wir saßen kaum bei Tische, als das
Frauenzimmer mir schon unter dem Tisch auf
die Füße trat. Das war eine gute Gelegenheit, wie? Als sie mich
aber aufforderte, sie nach Hause zu begleiten, bin ich
durchgegangen. Für den Augenblick wäre sie gar nicht übel gewesen.
Aber hernach … Das Frauenzimmer wäre mir vielleicht am Halse
geblieben. So dumm sind wir nicht! …
    Trublot nickte zustimmend. Auch er wollte von den Frauen der
guten Gesellschaft nichts wissen. Es ist gar zu ärgerlich am andern
Tag … Gueulin, aus seiner Ruhe heraustretend, führte noch
mehrere Beispiele an. Eines Tages war im Eisenbahnwagen eine
herrliche Brünette, die er nicht kannte, an seine Schulter gelehnt
eingeschlafen. Allein er überlegte sich die Sache. Was hätte er bei
der Ankunft im Bahnhofe mit ihr angefangen? Ein andermal wieder
fand er, von einer lustigen Kneiperei heimkehrend, die Frau eines
Nachbars in seinem Bette. Das war etwas stark, wie? Er hätte
vielleicht die Torheit begangen, wenn ihm nicht rechtzeitig
eingefallen wäre, daß die Dame hinterher ein Paar Schuhe verlangen
könnte.
    Niemand hat solche Gelegenheiten wie ich, mein lieber Onkel,
schloß er; aber ich weiß mich zu beherrschen. Jeder ist
zurückhaltend; man fürchtet die Folgen. Ja, wenn die nicht
wären! … Es wäre gar zu angenehm! …
    Bachelard saß jetzt sinnend da und hörte ihm nicht mehr zu. Er
war still geworden; seine Augen waren feucht.
    Wenn ihr recht artig sein wollt, will ich euch etwas zeigen,
sagte er plötzlich.
    Er zahlte und ging mit den Herren fort. Octave erinnerte ihn an
das Zusammentreffen mit Josserand. Es tut nichts, sagte er; man
kann ja später zurückkommen. Dann steckte er rasch den Zucker ein,
den ein Gast auf einem benachbarten Tische hatte stehen lassen.
    Folgt mir, sagte er, als sie draußen waren;
es ist nur zwei Schritte von hier.
    Ernst und schweigsam ging er neben ihnen her. In der
Markusstraße blieb er vor einem Haustor stehen. Die drei jungen
Leute schickten sich an, ihm zu folgen, da ward er plötzlich
unschlüssig.
    Nein, kommt; ich will nicht.
    Doch die jungen Leute widersprachen. Wolle er sie etwa zum
besten halten?
    Nun denn, Gueulin geht nicht mit hinauf, Sie auch nicht, Herr
Trublot … Ihr seid nicht artig genug; ihr achtet nichts und
würdet euch unanständig benehmen … Kommen Sie, Herr Octave;
Sie sind ein ernster junger Mann.
    Er ließ Octave vorausgehen; die beiden andern riefen ihm vom
Fußwege lachend nach, daß sie die Damen schön grüßen ließen. Im
vierten Stock pochte er an, und eine alte Frau öffnete.
    Wie, Sie sind's, Herr Narziß? Fifi hat Sie heute abend nicht
erwartet.
    Sie lächelte mit ihrem fetten, weißen, ruhigen Gesichte einer
Klosterpförtnerin. In dem kleinen Speisezimmer, wohin sie die
Herren führte, saß ein großes, blondes, hübsches Mädchen am Tische
und stickte an einer Altardecke.
    Guten Tag, Onkel! sagte sie, sich erhebend und den dicken,
bebenden Lippen Bachelards die Stirne zum Kusse bietend.
    Als er Herrn Octave Mouret vorstellte, einen sehr vornehmen
jungen Mann seiner Bekanntschaft, machten die beiden Frauen
Verbeugungen nach veralteter Mode. Dann nahm die Gesellschaft an
dem Tische Platz, auf dem eine Petroleumlampe brannte. Es war ein
ruhiges, provinzmäßiges Hauswesen; zwei geregelte, unbeachtete
Existenzen mit den bescheidensten Ansprüchen. Das Zimmer
ging auf den Hof, so daß von der Straße
nicht einmal das Geräusch der Wagen heraufdrang.
    Während Bachelard sich nach dem Befinden und den Beschäftigungen
der Kleinen erkundigte, erzählte die Tante, Fräulein Menu, dem
jungen Manne ihre Geschichte mit der vertraulichen Einfalt einer
braven Frau, die nichts zu verheimlichen hat.
    Ja, mein Herr, ich bin aus Villeneuve bei Lille. Man kennt mich
sehr gut im Hause der Gebrüder Mardienne, Sulpiciusstraße, wo ich
dreißig Jahre Stickerin war. Dann hatte ich das Glück, von einer
Kusine ein Haus in der Provinz zu erben; dieses Haus habe ich gegen
eine Jahresrente von 1000 Franken verkauft; die Leute, die es
kauften, dachten, daß ich am nächsten Tage das Zeitliche segnen
würde. Darin haben sie sich nun arg getäuscht; denn, wie Sie sehen,
lebe ich noch immer trotz meiner 75 Jahre.
    Sie lachte, wobei sie ihre Zähne zeigte, die so weiß waren

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