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Der Hahn ist tot

Der Hahn ist tot

Titel: Der Hahn ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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wunderte mich, daß Beate da mitspielte.
    »Was gibt’s Neues in der Mordsache?« fragte ich.
    »Nie hätte ich geglaubt, daß du dich so fürs Morden interessierst«, jetzt wurde Beate leicht spitz. Aber sie erzählte mir doch, daß Witolds Söhne die letzten Wochen beim Vater gewohnt hätten, obgleich sie eigentlich längst eigene Buden in Heidelberg hatten. Sie wollten aber demnächst mit ihren Freundinnen nach Mexiko fahren, schließlich seien noch Semesterferien. Sie hätten sogar erwogen, ihren armen Vater mitzunehmen. Aber das ginge nicht.
    Warum nicht, wollte ich wissen.
    »Ja, erstens kann er nicht, denn die Schule fängt wieder an, und er muß unterrichten; zweitens darf er nicht, denn er muß für die Polizei erreichbar sein. Und drittens will er nicht. Soweit Lessi weiß, hat ihm ein Freund ein Wochenendhäuschen im Odenwald zur Verfügung gestellt, dahin möchte er sich zurückziehen, wenn die Jungs weg sind. Verständlicherweise hat er wenig Lust, in Ladenburg allein in seinem Haus zu hocken und von Reportern und mitleidigen Nachbarn belämmert zu werden.«
    Über meine Haare hatten wir zwar nicht geredet, dafür über etwas Interessanteres. Ich war mir sicher, dieses Odenwälder Häuschen ausfindig machen zu können.
    Als die Schule wieder angefangen hatte, rief ich beim Sekretariat des Ladenburger Gymnasiums an. Ich behauptete, ich sei die Sekretärin von Kommissar Krüger, denn diesen
    Namen kannte ich zum Glück aus der Zeitung; Krüger bearbeitete den Fall Engstern. Aber hatte die Polizei überhaupt Sekretärinnen? Als ich vor kurzem als Zeugin eines Verkehrsunfalls aussagen mußte, hatte ich ausschließlich Männer entdeckt, und meine Aussage war von einem jungen Polizisten eigenhändig und langsam getippt worden. Doch, mir fiel ein, daß in den Fernsehkrimis zuweilen ein säuerliches weibliches Wesen für das Polizisten-Team Kaffee kochte.
    Also, ich sagte der Schulsekretärin, sie brauchte eventuell Herrn Engstern nicht extra aus dem Unterricht zu holen, sondern könnte mir vielleicht selbst eine kurze Auskunft erteilen.
    »Herr Engstern ist krankgeschrieben, den können Sie sowieso hier nicht sprechen«, kam die Antwort. Ich erklärte, daß er mir neulich seine neue Anschrift telefonisch durchgesagt habe und ich leider diesen Zettel verlegt hätte. Mein Chef würde wütend werden, wenn das rauskäme. Sie hatte großes Verständnis dafür, daß die Wut eines Chefs zu vermeiden sei, und schien in ihren Unterlagen zu blättern.
    »Ja, ich hab’s schon«, sagte sie erfreut, »vom Direktor persönlich eingetragen. Also, er ist zu erreichen bei Dr. Schröder, Bickelbach im Odenwald, Holzweg.«
    Ich bedankte mich höflich. Das war ja gut gegangen. Wenn Witold selbst am Telefon gewesen wäre, hätte ich vor Aufregung nicht sprechen können und hätte aufgelegt. Das zumindest wäre ihm verdächtig vorgekommen.
    Auf der Karte fand ich das winzige Bickelbach. Ob ich abends noch hinfahren sollte oder lieber am Wochenende? Endlich hatte ich wieder ein Ziel, der Feierabend hatte einen Sinn.
    Natürlich konnte ich es nicht bis zum Wochenende aushalten. Ich fuhr am frühen Abend los, nahm den Dieskau mit. In Bickelbach ließ ich den Wagen in einer kleinen Straße stehen und machte mich zu Fuß auf die Suche nach dem
    Holzweg. Fragen wollte ich nicht, außerdem traf ich auch niemand, der Ort wirkte ziemlich öde. Der Holzweg war schließlich am anderen Ende des Dorfes und führte einen Hang hinauf. Es gab mehrere Bauernhäuser, die offensichtlich von Städtern renoviert und umgebaut worden waren. Gärten voller Kohl, Löwenmäulchen, Mohren, Petersilie und Phlox konnten eine Städterin wie mich entzücken. Eine Hausnummer wußte ich allerdings nicht, aber ich kannte ja Witolds Wagen. Inzwischen war ich schon eine gute halbe Stunde mit dem Hund unterwegs. Der Holzweg zog, dehnte und schlängelte sich den Berg hinauf. Da - auf einer Wiese stand Witolds Auto, vor Schreck wurde ich ganz flattrig. Nein, ich mochte heute noch nicht an seine Tür klopfen, ich mußte erst alles auskundschaften. Aber hier ging es nicht so einfach; das Häuschen, eine umgebaute Scheune, war von einer offenen Wiese umgeben, von allen Seiten hätte man mich ausmachen können. Ich wanderte wie eine zügige Spaziergängerin vorbei; außer dem Auto sah ich keine Spur von Witold. Als der Holzweg endlich in den Wald mündete, machte ich kehrt und begab mich zu meinem Wagen zurück; ich wußte jetzt Bescheid.
    In den drei Tagen bis zum Samstag

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