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Der Hahn ist tot

Der Hahn ist tot

Titel: Der Hahn ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Nun, die Polizei glaubt mir wahrscheinlich nicht, aber andererseits konnte ich mir diese Verletzung nicht selbst verpaßt haben, die Entfernung, aus der der Schuß abgegeben wurde, war viel zu groß. Außerdem konnte ich auch nicht mit dieser blutenden Wunde umhergelaufen sein, ohne dabei Blutspuren zu hinterlassen. Sie haben fieberhaft nach der Tatwaffe gesucht, die nicht zu finden war«, - er stockte kurz - »Sie müssen sie haben!« rief er dann erregt.
    Ich nickte. »Ich habe sie beseitigt, denn Ihre Fingerabdrücke waren ja darauf.«
    »Ich verstehe das alles nicht«, rief Witold wieder, »das gibt doch keinen Sinn! Warum haben Sie denn nicht einfach die Polizei angerufen!«
    Ich lächelte ihn an. »Ich wollte Ihnen helfen!«
    »Es ist sehr die Frage, ob Sie mir geholfen haben. Die Polizei sucht dringend eine Person in Turnschuhen, deren Fußabdrücke deutlich im Garten und auf dem hellen Teppich zu sehen waren. Also, man geht wahrscheinlich schon davon aus, daß eine fremde Person aus dem Garten aufgetaucht ist, geschossen hat und dann die Waffe wieder mitgenommen hat. Aber mir will einfach nicht in den Kopf, warum Sie noch mal auf meine Frau geschossen haben! War sie am Ende gar nicht tot? Nur der Kopfschuß soll tödlich gewesen sein, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, wohin ich sie getroffen habe.«
    Ich musterte Witold. Sollte ich sagen, daß er sie am Kopf getroffen hatte? Aber eigentlich mußte er das selbst wissen, denn nach seinem Schuß war nur die Bluse blutig-naß geworden. Wahrscheinlich hatte er aber nur gesehen, daß sie umfiel; oder wollte er mich auf die Probe stellen, rauskriegen, ob ich log, ob ich am Ende wahnsinnig war?
    Er fuhr fort: »Welchen Grund haben Sie, sich so zu verhalten? Es ergibt einfach keinen Sinn (das sagte er nun schon zum x-ten Mal). Ich habe immer darauf gewartet, daß Sie sich bei der Polizei melden. Als Sie es nicht taten, habe ich daraus geschlossen, daß Sie meine Frau getötet haben.«
    Ich sagte, ich sei völlig in Panik geraten, als ich ihn aus Versehen angeschossen hätte. In einer Art Schock hätte ich auch auf die Frau geschossen, wüßte aber ebenso wenig wie er, ob ich sie am Kopf getroffen hätte. Und dann sei ich geflüchtet und hätte mich begreiflicherweise nicht bei der Polizei gemeldet.
    »Am besten«, sagte Witold, »wir rufen jetzt gemeinsam die Polizei an und bringen es hinter uns. Es kommt ja; sowieso irgendwann heraus.«
    Ich protestierte energisch.
    »Wissen Sie, was dann passiert? Sie werden keine Minute länger hier im Odenwald in frischer Luft auf Wald und Wiesen blicken, sondern im Untersuchungsgefängnis auf vergitterte Fenster starren. Im übrigen kann mich kein Mensch mit dieser Sache in Verbindung bringen, niemand hat mich richtig gesehen, und die Fußabdrücke können auch von jedem anderen stammen. Was sollte ich überhaupt für ein Motiv haben? Außerdem - selbst wenn man Ihnen glauben sollte -, wenn ich meinerseits von Ihrem Schuß erzähle, sind Sie dran! Werden Sie eigentlich beobachtet?«
    Witold brummte mürrisch vor sich hin: »Anfangs haben sie mich ständig beschattet, wahrscheinlich auch meine Post geöffnet und mein Telefon abgehört, ich bin schon gar nicht dran gegangen. Fast täglich wurde ich abgeholt und verhört.« Er holte tief Atem und sah mich anklagend an. Dann fuhr er fort: »Sie dachten wohl zuerst so: Meine Frau hat als erste geschossen, ich dann auf sie. Aber der Schußwinkel stimmte nicht. Nach meinem Beinschuß konnte ich aber nicht mehr laufen - Daß wir uns abwechselnd die Knarre in die Hand gedrückt haben, kam ihnen auch nicht allzu wahrscheinlich vor. Wie gesagt, ohne eine Blutspur zu hinterlassen, hätte ich die Waffe nicht verstecken können. Hätte ich sie dagegen zuerst getroffen, hätte sie mit ihrer schweren Verletzung kaum noch schießen können. Es mußte also eine weitere Person der Schütze sein.«
    Ich warf ein: »Wen hatte man denn in Verdacht?«
    »Vielleicht dachten sie daran, daß die Turnschuhperson mit mir unter einer Decke stecke, ja ein bezahlter Killer sei. Sie haben mein Konto überprüft und festgestellt, daß ich zwei Tage vorher dreitausend Mark abgehoben habe. Aber erstens war dieses Geld noch vollständig vorhanden, zweitens konnten vier Kollegen bestätigen, daß ich in der folgenden Woche mit ihnen zu einer Urlaubsfahrt starten wollte und das Geld dafür geholt hatte.«
    Witold streifte nervös die Zigarettenasche in den Mülleimer. »Na ja, nach circa vier Wochen haben sie mich

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