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Der Hahn ist tot

Der Hahn ist tot

Titel: Der Hahn ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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überdies präzise schildern, was ich über den Unfall wußte.
    »Ich kann doch nur sagen, was in allen Zeitungen stand«, meinte ich.
    »Nun, vielleicht doch noch mehr als das. Ich könnte mir denken, daß Ihre Freundin mit Ihnen telefoniert und Ihnen von einem bevorstehenden Picknick erzählt hat. Es ist immerhin möglich, Frau Hirte, daß Sie eine bestimmte Person decken wollen, beispielsweise Herrn Engstern. Immerhin wußten Sie als einzige, daß Ihre Freundin in ihn verliebt war, das scheint sie nämlich sonst keinem verraten zu haben.«
    »Ja, das hat sie mir anvertraut. Aber Beate hat keinen Zweifel daran gelassen, daß diese Verliebtheit bisher eine einseitige Angelegenheit war. Wenn sie mit Herrn Engstern eine Verabredung gehabt hätte, hätte sie es mir vielleicht gesagt. Sie hat aber nicht!«
    Der Kriminalbeamte sah mich aufmerksam an, er schien noch weitere Zweifel zu haben.
    »Der Einkaufszettel Ihrer Freundin lag in ihrem Portemonnaie, der Korb mit den Wochenendeinkäufen stand im Auto. Den Sekt kann sie natürlich von zu Hause mitgenommen haben, aber das Essen stammte nicht von ihr, daß muß jemand anderes mitgebracht haben. Der Metzger, bei dem sie ihren Sauerbraten gekauft hat, verkauft nämlich keine fertig gegrillten Hähnchen. Woher wußten Sie eigentlich, daß Beate Sperber Grillhähnchen gegessen hat?«
    »Habe ich das gesagt?« fragte ich.
    »Sie haben es zu Herrn Engstern gesagt«, behauptete er, »er sprach nämlich von dieser letzten Mahlzeit, als sei er dabeigewesen. Mit Sektglas und Hühnerbein habe Beate Sperber auf dem Turm gestanden und sei heruntergefallen. Wir haben den Mageninhalt der Toten nicht für die Öffentlichkeit bekanntgegeben, nur über die leere Sektflasche stand etwas in einer Zeitung. Herr Engstern behauptete zuerst, vom Grillhähnchen in der Zeitung gelesen zu haben, aber nach längerem Diskutieren meinte er, Sie hätten davon gesprochen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. Mir fiel die Szene in Bickelbach ein: Scarlett mit Sekt und Huhn. Das hatte mich damals schockartig an Beate erinnert, und wahrscheinlich hatte ich es Witold gesagt.
    »Ich kann mich nicht erinnern«, meinte ich und tat unbefangen. »Falls ich es gesagt haben sollte, kann ich es eigentlich auch nur gelesen oder von einer weiteren Person gehört haben. Beate jedenfalls hat mir über dieses Picknick nichts gesagt.«
    Der Beamte ging an meinen Gläserschrank. Zielstrebig suchte er meine fünf kristallenen Sektgläser heraus.
    »Ein solches Kristallglas wurde von Ihrer Freundin für den Sekt verwendet. Wo ist Ihr sechstes Glas?«
    »Aber ich bitte Sie«, antwortete ich entrüstet, »Gläser gehen immer mal kaputt. Wer hat schon von allen Gläsern die vollständige Zahl.«
    »Sie, Frau Hirte«, entgegnete er lakonisch, »hier sehe ich zum Beispiel sechs Sherrygläser, sechs Weingläser und sechs Wassergläser. Bei Ihnen sieht alles fast wie neu aus und äußerst ordentlich.«
    Das war ein unverschämter Trick, ich wurde böse.
    »Na und? Ich habe keine Familie und wenig Besuch, da werden Geschirr und Gläser naturgemäß nicht viel gebraucht. Aber Sekt trinke ich auch, wenn ich allein bin, weil ich zu niedrigen Blutdruck habe. Mir ist schon vor langer Zeit ein Glas zersprungen. Wollen Sie mir aus einem fehlenden Sektglas einen Strick drehen?«
    Er sagte nichts dazu, sondern betrachtete meine Füße.
    »Welche Schuhgröße haben Sie?«
    »Neununddreißig«, log ich, sollte er doch nachmessen.
    »Ich werde eines Ihrer Gläser mitnehmen, wenn’s geht auch Ihre Fotoalben. Außerdem möchte ich mir Ihren Schuhschrank mal ansehen. Besitzen Sie Turnschuhe?«
    Ich schüttelte den Kopf. Sollte ich nach einem Durchsuchungsbefehl fragen und einen Anwalt anrufen?
    Er stand auf.
    »Ach so, ich möchte auch einen Blick ins Bad werfen.«
    Ich ging mit ihm. Zuerst begab er sich ans Schuhregal, das er, ohne zu fragen, im Schlafzimmer fand. Der Hund knurrte ihn böse an. Er prüfte mehrere Paare und sagte vorwurfsvoll: »Größe einundvierzig, bei neununddreißig würden Sie sich arg quälen!«
    Am Kleiderschrank hielt er sich nicht sehr lange auf.
    Darauf ging er ins Bad. Ich folgte. Er zog die weißen Resopalschubladen der kleinen Kommode auf und kontrollierte das Funktionieren meines Föns.
    »Machen Sie mal den Medizinschrank auf!« befahl er wie ein Zöllner. Ich stand außerdem näher dran als er. Seine Augen glitten hurtig über meine Pillen- und Kosmetikvorräte.
    »Und was ist da drin?« er deutete auf die

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