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Der Hammer der Götter

Der Hammer der Götter

Titel: Der Hammer der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewesen, hätte er sich daran gelehnt, um Kraft zu sparen, aber Thor konnte auch gut verstehen, warum er es nicht tat. Auch ihm selbst bereitete schon die bloße Nähe der verwitterten Grabmonumente ein beinahe körperliches Unbehagen.
    Der Mann blutete aus einem hässlichen Schnitt in der Seite, der tief genug war, dass man das Weiß seiner Rippen darunter sehen konnte, und sein Gesicht nahm allmählich fast dieselbe, schreckliche Färbung an.
    Mit einer entsprechenden Geste scheuchte Thor die beiden anderen Männer davon, die sich um ihn zu bemühen versuchten, ohne dass es ihnen indes gelang, mehr zu tun, als ihm durch ihre bloße Nähe Trost zu spenden, ließ sich neben dem Krieger in die Hocke sinken und streckte die Hand nach ihm aus. Der Krieger zuckte angstvoll zusammen und versuchte instinktiv seinen Arm abzuwehren, doch Thor schob seine Hand einfach zur Seite, berührte mit der anderen die tiefe Wunde in seinem Leib und griff zugleich mit der Kraft seiner Gedanken in ihn hinein, um nach dem Quell seiner Pein zu suchen. Der Mann ächzte. Zunächst wurde sein Schmerz noch schlimmer, und mehr Blut sprudelte aus dem tiefen Schnitt in seinem Fleisch; dann zeitigte Thors Hilfe Erfolg, und beides verebbte.
    Er konnte keine Wunder vollbringen, auch wenn es in den Augen der meisten so aussehen mochte. Den Tod zu besiegen, stand nicht in seiner Macht; nicht einmal, tatsächlich Wunden zu heilen. Aber er war sehr wohl in der Lage, die Kräfte zu wecken, die in einem jedem schlummerten. Menschliche Körper waren so zäh, wenn man ihnen nur zeigen musste, wie sie ihre verborgenen Kräfte nutzen konnten. Der Schmerz des Mannes erlosch, und aus dem Entsetzen in seinem Blick wurde etwas Anderes, das vielleicht schlimmer war.
    »Ruh dich ein wenig aus«, sagte Thor. »Es wird wieder, keine Sorge.«
    Er bekam keine Antwort. Der Blick des Verwundeten flackerte über sein Gesicht, glitt an seinem Arm hinab und blieb auf der schon fast verheilten Narbe hängen. Jetzt stand nichts anderes als pure Angst in seinen Augen geschrieben.
    Thor stand auf, ging zu dem zweiten Verwundeten hin und sah schon aus drei Schritten Abstand, dass hier jede Hilfe zu spät kam. Der Mann war tot, ertrunken an seinem eigenen Blut, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht war ... seltsam.
    Natürlich sah Thor Schmerz. Qual hatte seine Züge im Tode zu einer Grimasse erstarren lassen, doch in seinen trüb gewordenen Augen erblickte Thor zugleich einen Ausdruck absurder Erleichterung; als hätte er das Ende im allerletzten Moment erleichtert angenommen. Was hatte er gesehen, dass ihm selbst der Tod als willkommener Ausweg erschienen war?
    Er erwies ihm den letzten kleinen Dienst, indem er neben ihm niederkniete und mit einer fast schon zärtlichen Bewegung seine Augen schloss, dann richtete er sich auf und ließ seinen Blick nachdenklich über den Hügel und die nähere Umgebung tasten.
    »Hast du Angst, dass noch mehr kommen?«, fragte Torben.
    »Wir müssen ihn begraben«, sagte Thor, ohne auch nur auf seine Worte einzugehen. »Aber nicht hier.«
    Torben machte ein missmutiges Gesicht – ihre Sitten verlangten, dass sie den Toten verbrannten, damit seine Seele mit dem Rauch in den Himmel aufstieg und den Weg nach Walhalla fanden – aber er sagte nichts dazu; auch wenn Thor genau wusste, wie wenig ihm diese Entscheidung gefiel.
    Ihm selbst behagte sie auch nicht. Er hatte alles von diesen Männern verlangt, bis hin zu ihrem Leben, und das Mindeste, was er ihnen schuldig war, war eine würdevolle Beisetzung. Aber es widerstrebte ihm, ein Feuer zu entzünden. Der Rauch würde ihre Anwesenheit jedem in weitem Umkreis verraten, und selbst eine verkürzte Zeremonie würde Zeit in Anspruch nehmen, die sie einfach nicht hatten.
    »Dort.« Er machte eine Kopfbewegung zu der Stelle am Waldrand, die am weitesten vom Fuße des unheimlichen Grabhügels entfernt war. »Wir beerdigen ihn dort.«
    Torben rührte sich nicht. »Und dann?«, fragte er.
    »Dann?«
    »Wir müssen zurück«, beharrte Torben. »Wir haben schon einen Mann verloren. Reicht dir das immer noch nicht?«
    Jähe Wut loderte in Thor auf. Seine Hand schloss sich so fest um Mjöllnirs eisernen Griff, dass seine Knöchel leise knirschten, und Torben machte einen instinktiven halben Schritt zurück. Sein Blick flackerte, aber er hielt dem Thors dennoch stand; wenn auch nur mit Mühe.
    »Ich halte es deiner Erregung zugute, dass du dich so im Ton vergreifst, mein Freund«, sagte er leise. »Aber wage es

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