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Der Hammer der Götter

Der Hammer der Götter

Titel: Der Hammer der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dass ihm keine andere Wahl blieb.
    Aber er hätte ihn nicht sehen dürfen.
    Thor tauchte die Hände ins Wasser und wartete mit klopfendem Herzen, bis sich das kreisförmige Wellenmuster wieder beruhigt hatte. Dieses Mal sah er nur sein eigenes Gesicht, aber die Erleichterung, auf die er wartete, wollte sich nicht einstellen.
    Sein dunkler Zwilling war da, und obwohl er ihn nun nicht mehr sehen konnte, glaubte er den lauernden Blick seiner Augen fast wie eine Berührung zu fühlen. Als gäbe es etwas in dieser Stadt, das das Düstere in ihm stärkte und ihm zugleich mit jedem Atemzug mehr von seiner Menschlichkeit nahm.
    Und dann – endlich – begriff er. Mit einem Mal wusste er, warum sie hierher gekommen waren, wieso ihn dieser Ort so sehr erschreckte und ihm zugleich auf so unheimliche Weise vertraut erschien, und er wusste auch, was es war, das ihn die ganze Zeit über ebenso lautlos wie mit fester Macht gerufen hatte.
    Endlich, nach all diesen unendlich vielen, unendlich langen Jahren, war er heimgekehrt.
    Er war Zuhause.
     
    *
     
    »Das da müsste es sein.« Thor wies mit einer übertrieben deutenden Geste auf ein großes, aber sonderbar gedrungen wirkendes Gebäude auf der anderen Seite des Platzes. Anders als die meisten hier in dieser Stadt der Riesen hatte es nur ein Stockwerk, dafür aber ein übergroßes, weit ausladendes Dach aus unregelmäßig geformten Schieferplatten, das von einem ganzen Wald oberschenkelstarker steinerner Säulen gestützt eine Kolonnade rings um das gesamte Mauerwerk bildete. Die Fenster waren klein und schmal und erinnerten eher an Schießscharten, und auch die Tür war eindeutig nicht für Riesen gedacht, sondern war breit, dafür aber so niedrig, dass sich wohl selbst ein normal gewachsener Mann bücken musste, um sie zu passieren. Wie zum Ausgleich gab es gleich vier mächtige, aus grobem Stein gemauerte Kamine, die sich unnötig weit über den Dachfirst erhoben, und auf der linken Seite hatte einmal ein weitläufiger Anbau gestanden, der nun aber zu einem Gewirr aus Trümmern, Schutt und schwarz verbrannt stehen gebliebenen Mauerresten geworden war.
    »Nicht, dass es mich etwas anginge, Herr«, sagte Torben, zwar in demütiger Haltung und mit dazu passender Stimme, zugleich aber nicht einmal darum bemüht, das spöttische Funkeln in seinen Augen zu unterdrücken, »aber woher wollt Ihr Wissen, dass Ihr ausgerechnet dort findet, wonach Ihr sucht?« Geschweige denn, wonach sie überhaupt suchten , fügte er irgendwie hinzu, ohne dass es nötig gewesen wäre, die Worte laut auszusprechen.
    Thor musste sich beherrschen, um ihn nicht anzufahren; vor allem, weil Torben mit jedem Wort (auch mit denen, die er gar nicht sagte) recht hatte. Nachdem sie das Haus und die unmittelbare Umgebung abgesucht und gesichert hatten, hatten sich die Männer zum Schlafen niedergelegt und einige Stunden ausgeruht: lange nicht genug, und Thor glaubte auch nicht, dass es ein angenehmer Schlaf gewesen war. Dennoch waren sie jetzt ausgeschwärmt – immer in Zweiergruppen, den verwundeten Mann hatten sie zurückgelassen, um ein leeres Haus in einer leeren Stadt zu bewachen – um die Stadt so gründlich zu durchsuchen, wie es einer so geringen Anzahl Männer an einem einzigen Tag möglich war, und das Gebäude dort drüben war vielleicht das fünfzehnte oder zwanzigste, das Torben und er in Augenschein nehmen würden. Zumindest Torben schien eine ziemlich klare Vorstellung von dem zu haben, was sie dort fanden: leer stehende Räume, Staub und Schmutz und Dunkelheit, die seit Jahrhunderten in Ecken und Winkeln nistete und längst angefangen hatte, Dinge auszubrüten, die besser auf ewig vergessen bleiben sollten. Torben hatte es sich bisher auch gespart, wirklich auszusprechen, was er von dieser ganzen Aktion hielt, aber das war auch nicht nötig.
    Thor war ihm dennoch im Stillen dankbar dafür.
    Statt die Frage des Kapitäns zu beantworten, deutete er nur ein Schulterzucken an und ging weiter.
    Auch beim Näherkommen verlor das Gebäude nichts von seiner Düsterkeit. Das Mauerwerk rings um die schmalen Fenster und die Tür war geschwärzt und von rußigen Streifen verunziert, als hätte ein Jahrhundert lang ein Feuer hinter diesen Mauern gewütet, und ein dazu passender Geruch schlug ihnen entgegen, als sie sich unter dem niedrigen Türsturz hindurchbückten; Thor so tief, dass es vermutlich schon albern aussah, denn als er sich drinnen wieder aufrichtete und sich zu Torben umdrehte, gewahrte er ein

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