Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hammer der Götter

Der Hammer der Götter

Titel: Der Hammer der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
trat noch einmal an die mit Runen bedeckte Wand hinter der Esse heran. Bisher hatte er nur einen kleinen Teil der Schrift freigelegt, und sie noch einmal zu berühren, dazu fehlte ihm die Kraft.
    Aber es war auch nicht nötig.
    Als wäre sein Denken plötzlich auf unheimliche Weise zweigeteilt, weigerten sich die eckig in den Stein hinein gemeißelten Symbole nach wie vor, irgendeinen Sinn zu ergeben oder gar eine Geschichte zu erzählen, und zugleich wusste er genau, was sie bedeuteten, und auch, wer diese Schriftzeichen erschaffen hatte, und zu welchem Zweck. Und plötzlich hatte er Angst. Entsetzliche Angst.
    »Weg hier!«, sagte er. »Schnell!«
     
    *

So schwer es war, das Verstreichen der Zeit in diesem unheimlichen Land hinter dem Ende der Welt zu schätzen, ebenso schwierig war es, Entfernungen in dieser unheimlichen Stadt zu bestimmen. Selbst Thors sonst so untrüglicher Orientierungssinn hatte ihn im Stich gelassen, kaum dass sie diesen düsteren Ort betreten hatten, und wenn auch gewiss niemand anderem, so hatte er doch zumindest sich selbst gegenüber längst zugegeben, dass sie sich verirrt hatten.
    Aber nicht einmal dessen war er sich vollkommen sicher. Was, wenn es in dieser unheimlichen Stadt weder Richtungen noch Entfernung gab, und sie sich somit auch nicht verirren konnten?
    Der Gedanke war so absurd, dass er ihn nicht nur von sich schob, sondern es auch mit einem rauen Lachen tat, das Torben aus dem griesgrämigen Schweigen riss, in dem er bisher neben ihm hergetrottet war. »Darf ich erfahren, was Ihr so ungemein erheiternd findet. Herr?«, fragte er. »Natürlich nur, wenn es Euch nichts ausmacht, einen gemeinen Sterblichen wie mich in Eure Pläne einzuweihen.«
    Thor blieb nicht stehen, wurde aber deutlich langsamer, da er schon seit einer geraumen Weile – verirrt oder nicht – ein Tempo vorgelegt hatte, das dem alten Kapitän mitzuhalten immer schwerer fiel. Torben bedankte sich immerhin mit einem stummen Blick, aber sein Tonfall wurde eher noch spöttischer. »Oder überhaupt mit einer so unwürdigen Kreatur zu reden.«
    »Torben, bitte«, seufzte Thor.
    »Aber mein Herr, Thor, Gott des Donners!«, entfuhr es Torben, in nun schon fast entsetztem Ton. »Ihr müsst mich doch um nichts bitten! Sagt nur irgendetwas, und ich werde es tun, ganz gleich was! Euer bloßer Wunsch ist jedem Sterblichen Befehl, wisst Ihr das denn nicht?«
    »Dann wünsche ich, dass du jetzt mit dem Unsinn aufhörst«, sagte Thor in einem Tonfall müder Schärfe. »Ich weiß, dass du zornig auf mich bist, und wenn du Wert darauf legst, dann gebe ich es vor der gesamten Mannschaft zu, sobald wir wieder an Bord des Schiffes sind, aber im Augenblick steht mir wirklich nicht der Sinn nach deinen Sticheleien.«
    »Ist das Euer Befehl, Herr?«
    Thor wollte auffahren, seufzte aber dann nur müde und schüttelte noch müder den Kopf. »Nein. Nur mein Wunsch ... ach verdammt, Torben, sei nicht kindisch. Was soll ich tun? Mich bei dir entschuldigen? Also gut, ich gebe es zu, du hattest recht. Ich habe mich verirrt.«
    »Verirrt?«, wiederholte Torben.
    Es fiel Thor immer schwerer, wenigstens äußerlich die Beherrschung zu wahren. Aber gut, wenn Torben gerade seine ganz besonders kindischen fünf Minuten hatte ...
    »Ich habe nicht die mindeste Ahnung, wo wir sind«, gestand er mit einer deutenden Geste in die Runde. »Wir bewegen uns im Kreis ... glaube ich.«
    »Und das schon seit einer ganzen Weile«, pflichtete ihm Torben bei.
    Thor blinzelte. »Das ... hast du gemerkt?«
    Torbens Blick folgte seiner Bewegung und blieb schließlich und für Thors Geschmack eindeutig zu lange an der unregelmäßigen Silhouette der Stadtmauer hängen, die sich wie die Schatten eines fernen Gebirges über die Dächer erhoben. Eine Zeitlang hatte Thor versucht, sich daran zu orientieren, was ihm eigentlich auch hätte gelingen sollen. Das Problem war nur, dass sie niemals gleich aussahen, sondern sich in ununterbrochener Veränderung zu befinden schienen; als sorge ein übler Zauber dafür, dass eingestürzte Türme und zerbröckelnde Mauern sofort ihre Plätze tauschten, wenn er eine Zeitlang nicht hinsah, oder auch nur blinzelte.
    »Warum hast du nichts gesagt?«, fragte er.
    Torben setzte – unübersehbar – zu einer weiteren spöttischen Antwort an, doch dann schien er etwas in Thors Augen zu sehen, das ihn seinen Entschluss ändern ließ. Er hob nur die Schultern und wurde plötzlich umso ernster. »Du hast dich sonderbar benommen, seit

Weitere Kostenlose Bücher