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Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)

Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)

Titel: Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Schröter
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geschehen sein? Dann nimmt er
sie in die Arme, sie und ihren kleinen Sohn.

Wendepunkt
    Karla Sander ist im Sommer dreiundvierzig Jahre alt
geworden. Sie ist Hausfrau. Eberhard Sander ist fünfundvierzig Jahre alt und
als Bauingenieur recht erfolgreich. Kennengelernt hat Karla ihren Mann mit
neunzehn Jahren, während des Studiums. Karla hatte gerade ein Psychologiestudium
begonnen. Ein Jahr später war sie schwanger geworden, hatte selbstverständlich
ihr Studium an den Nagel gehängt und es wurde geheiratet.
     
    Sohn Michael, heute zweiundzwanzig Jahre alt, Jurastudent in
einer anderen Stadt, kam zur Welt, als das geräumige Haus am Stadtrand gerade
bezugsfertig war. Zwei Jahre später wurde Tochter Sandra, heute knapp zwanzig
Jahre alt und engagierte Krankenschwester im städtischen Hospital, geboren.
     
    Karla Sander ist eine wunderbare Ehefrau. Sie hält das große
Haus picobello sauber, das Essen ist stets pünktlich und wohlschmeckend
angerichtet, und jeden Abend findet Eberhard ein frisches Hemd für den nächsten
Tag über den Stuhl gehängt vor.
     
    Jeden Samstag gehen Herr und Frau Sander zusammen zum Sport.
Und jeden Sonntag sieht man die Sanders beim Spaziergang durch den Park.
    Herr Sander ist stets mit einem frischen Hemd bekleidet,
während Frau Sanders goldbraunes Haar akkurat gescheitelt und aufgesteckt ist.
Niemals hat es Karla Sander versäumt, Bekannte freundlich zu grüßen.
    Jeden Montag, pünktlich um 8.30 Uhr sieht man Herrn Sanders
Limousine die Auffahrt hinunterfahren, und sich dann, rechts, in den fließenden
Verkehr einzureihen.
    An manchen Tagen bringt seine Frau ihm schnell noch sein
Butterbrot und den Aktenkoffer hinterher, die Gute. Dann steht sie in der
geöffneten Haustür und winkt ihrem Mann zum Abschied hinterher.
    Wenn er fort ist, geht sie hinein und lässt die Tür hinter
sich ins Schloss fallen.
     
    Seit Sandra Sander vor neun Monaten ins Schwesternwohnheim
gezogen ist, kann Karla Sander die Einsamkeit in dem großen Haus kaum noch
ertragen.
    Niemand scheint zu bemerken, dass sie Tag um Tag die Stunden
zählt, bis ihr Mann Eberhard nach Hause kommt.
    Niemand ist mehr da, der Staub aufwirbelt, niemand ist da,
den sie bekochen muss. Auch die Wäscheberge von einst sind zu einem Häufchen
zusammengeschrumpft.
     
    Eberhard isst schon seit Langem mit einem Kollegen zu
Mittag, sodass Karla ihm nur noch abends ein paar Häppchen schmieren muss. Oft
isst sie mittags gar nichts.
    Karla hat abgenommen.
    Einmal klopft ihr Eberhard im Vorbeigehen auf den Hintern
und witzelt: „Aber nicht, dass du mir an den falschen Stellen zu viel
abnimmst!“ Er denkt, sie halte für ihn Diät. „So sind Frauen eben“, denkt er,
reckt sich auf dem Sofa und streicht gedankenverloren über seinen fülligen
Leib, bevor er den Fernseher einschaltet.
     
    Vor ein paar Wochen hatte Karla ihren Mann gefragt, was er
davon halte, wenn sie ihr Studium wieder aufnähme. Jetzt, wo tagsüber niemand
mehr ihrer Hilfe bedürfe. Eberhard war gefährlich rot im Gesicht geworden.
„Meine Frau muss nicht arbeiten gehen!“ hatte er sie angedonnert.
    „Ich verdiene genug! Sollen die Leute etwa denken, es fehle
meiner Frau an Geld? Nein, meine Gute, dein Platz ist hier. Triff dich mehr mit
anderen Frauen. Die haben doch auch nichts zu tun.“
    Karla hatte genickt und dann geschwiegen.
     
    An einem der Vormittage schlendert Karla Sander ziellos
durch die Straßen. Plötzlich steht sie doch vor der Uni.
    Und sie schreibt sich ein.
    Auf einmal fällt alle Angst von ihr ab. Sie geht in ein
Straßencafé und bestellt einen Cappuccino. Sie sitzt in der Sonne und träumt.
Sie träumt davon, ihr Studium abzuschließen, endlich, und eine kleine Praxis zu
eröffnen. Es fühlt sich wundervoll an, der Gedanke an Freiheit, der Gedanke
daran, endlich das zu tun, was sie jahrzehntelang hat zurückstellen müssen.
     
    Nach einem weiteren eintönigen Wochenende mit Eberhard und
der Einsicht, dass Eberhard seit ihrem letzten Gespräch nicht einen einzigen
Gedanken mehr an ihr Anliegen verschwendet hat, fasst sie abermals den
Entschluss mit ihm zu reden. Ein letztes Mal. Nein, sie will gar nicht mit ihm
reden. Sie hat ihm eine Mitteilung zu machen.
     
    Es ist der darauffolgende Samstag. Die Sanders sind wieder
beim Sport gewesen. Es ist Abend geworden. Karla steht seit Stunden in der
Küche und zaubert Eberhards Lieblingsgericht: Kohlrouladen, während Eberhard
ein Nickerchen auf dem Sofa macht. Eben ist er aufgewacht und hat den

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