Der Hauch Des Bösen: Roman
Fingerspitze über das Grübchen in der Mitte ihres Kinns. »Wenn du noch immer arbeitest, wenn ich mit meinen Sachen
fertig bin, komme ich noch rüber, um dir etwas zu helfen.«
Sie feixte ihn an. »Und wenn du noch immer arbeitest, wenn ich mit meinen Sachen fertig bin, helfe ich selbstverständlich dir.«
»So gemein kannst nicht mal du sein.«
Eve ging durch ihr Arbeitszimmer direkt in die angrenzende kleine Küche und bestellte sich einen Kaffee. Zurück an ihrem Schreibtisch lud sie die Überwachungsdiskette aus dem Internetlokal und griff dann geistesabwesend nach der Statue der Göttin, die ein Geschenk von Peabodys Mutter gewesen war.
Eventuell brächte sie ihr ja Glück, überlegte sie, stellte sie wieder auf den Tisch und rief die Bilder auf.
Die Beleuchtung war erbärmlich, in den Ecken war es dämmrig, und dort, wo die Leute tanzten, zuckten ständig kalte Blitze von der Decke über das Parkett. Falls sie jemanden identifizieren müsste, bräuchte sie wahrscheinlich einen der Magier aus der Abteilung für elektronische Ermittlungen, überlegte sie. Bisher war alles, was sie sah, unzählige Leute, die sich vergnügt miteinander unterhielten, vor den Computern hockten, tanzten, tranken und sich nach Kräften amüsierten.
Bis um neun die Lasershow begann und die Musik nicht mehr nur laut war, sondern einem regelrecht die Trommelfelle zerstörte, stand Steve Audrey tatsächlich wie behauptet die ganze Zeit hinter der Bar. Er machte seine Arbeit ziemlich gut, plauderte häufig mit den Gästen, führte aber gleichzeitig prompt jede Bestellung aus.
Die meisten Leute zogen paar- oder gruppenweise durch den Club. Kaum jemand war allein. Der Killer, überlegte Eve, war bestimmt allein gekommen. Er hatte sicher keinen Freund und keine Freundin mitgeschleppt.
Sie markierte die Sequenzen, auf denen sie Leute allein irgendwo stehen oder sitzen sah.
Dann entdeckte sie plötzlich Diego. Sie ging jede Wette ein, dass es Diego war. Er trug ein Hemd aus roter Seide, eine enge Hose, hochhackige Cowboystiefel und hielt sich unübersehbar für einen kleinen Gott.
Sie verfolgte, wie er sich prüfend umsah und die potenziellen Ziele seiner Aufreißtour ins Auge nahm.
»Computer, ich brauche ein Standbild. Vergrößerung Sektor fünfundzwanzig bis dreißig.« Mit gespitzten Lippen betrachtete sie das Gesicht. Südländisch, attraktiv, falls einem der Machotyp gefiel. »Computer, ich brauche eine Identifizierung der Person auf diesem Bild. Gib mir seinen Namen«, murmelte sie, und da es etwas dauern würde, wandte sie sich erst mal einer anderen Arbeit zu.
Jemand in dem Club hatte die Aufnahmen von Rachel an Nadine gesandt. Jemand, der durch die Lichter und die Schatten gelaufen war, hatte die Bilder in einen der Computer eingegeben, Nadines Nummer gewählt und sie ihr geschickt.
Während die Abteilung für elektronische Ermittlungen sämtliche Computer des Lokals auseinandernehmen würde, um herauszufinden, auf welchem Laufwerk sich ein Echo der Fotos und des Textes befand, bereitete der Mörder schon die nächste Porträtaufnahme vor.
Ich bin voller Energie. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass ich verwandelt bin. Vielleicht sogar neu geboren. Ich trage sie jetzt in mir, ich spüre, wie sie in mir lebt. Wie ein Kind im Leib der Frau. Aber zugleich ist es viel mehr. Denn dieses Etwas, das jetzt in mir lebt, braucht nicht mehr zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Es ist, während es in mir ist, bereits vollständig und komplett.
Sie bewegt sich, wenn ich mich bewege. Sie atmet, wenn ich atme. Wir sind jetzt und für alle Zeiten eins.
Ich habe ihr Unsterblichkeit verliehen. Ist das nicht die größte Liebe, die es geben kann?
Es war wirklich erstaunlich, wie sie mich in der Sekunde angesehen hat, in der ich ihren Herzschlag beendet habe. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie es plötzlich wusste. Dass sie es verstand. Und dass sie überglücklich war, als ich ihre Essenz in mich aufgenommen habe, damit ihr Herz dort wieder schlägt.
Für alle Zeit.
Seht nur, wie sie auf den Bildern aussieht, die ich von ihr geschaffen habe, auf all den Bildern in der Galerie, die ihr von mir gewidmet worden ist. Sie wird niemals älter werden, niemals Schmerz erfahren, niemals leiden. Sie wird für alle Zeit ein hübsches junges Mädchen mit einem süßen Lächeln sein. Das ist mein Geschenk an sie, im Tausch für ihr Geschenk an mich.
Doch es muss noch weitergehen. Ich muss diese Lichtflut wieder spüren
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