Der Hauch Des Bösen: Roman
benutzt. Dieser Lippenstift,
First Blush der Marke Barrymore, geht im Einzelhandel für nicht weniger als hundertfünfzig Dollar über den Tisch.«
»Ich brauche eine Liste sämtlicher Produkte, die Sie identifizieren konnten.«
»Ja, ja.« Er drückte ihr eine Diskette in die Hand. »Und dann gibt es noch eine interessante Kleinigkeit. Sie hatte Spuren eines Pflasters auf der Brust.«
»Das hat mir Morris schon erzählt.«
»Hat er Ihnen auch erzählt, dass es kein medizinisches Pflaster war? Sie zu verarzten hätte natürlich nicht viel genützt. Schließlich war sie ja schon tot. Er hat die Wunde also einzig deshalb abgeklebt, damit kein Blut an ihre Kleidung gerät.« Er vergrößerte die Aufnahme des Lochs in ihrer Brust. »Sehen Sie, die Bluse und der Büstenhalter haben nicht nur keine Löcher, sondern sind blütenrein.«
»Dann hat er sie also vorher ausgezogen«, überlegte Eve. »Oder vielleicht nicht ganz ausgezogen, aber die Kleidung auf jeden Fall gelockert. Danach hat er sie erstochen und ihr das Pflaster aufgeklebt, damit kein Blut an ihre Sachen kommt. Er hat die Bluse wieder zugeknöpft, sie in Position gesetzt und die Aufnahme erstellt. Als er fertig ist, nimmt er das Pflaster wieder ab. Warum?«
Sie stapfte nachdenklich durch den Raum. »Weil er fertig war. Er war mit ihr fertig, und sie war für ihn nur noch ein Stück Müll. Vielleicht hatte er Angst, dass man seine Fingerabdrücke auf dem Pflaster finden könnte oder dass sich dieses Pflaster bis zu ihm zurückverfolgen lässt. Oder er hat überhaupt nicht nachgedacht, sich keinerlei Gedanken darüber gemacht,
sondern das Teil einfach als verdammtes Souvenir behalten.« Sie raufte sich die Haare.
»Ich habe schon Kränkeres erlebt«, stellte Dickie fest.
»Ja, dafür sind Sie Spezialist, nicht wahr?«
»Sie könnten doch Trina nach den Kosmetikprodukten fragen«, schlug Peabody auf dem Rückweg zum Wagen vor. »Sie kennt sämtliche New Yorker Läden und sämtliche Online-Händler, bei denen es solche Sachen gibt.«
»Ja.« Daran hatte Eve selber schon gedacht. Doch sie hatte auch daran gedacht, was passieren würde, wenn sie die Stylistin kontaktierte. Unter Garantie müsste sie dann wieder irgendeine grauenhafte, sadistische Sitzung über sich ergehen lassen, bei der sie neben einem neuen Haarschnitt auch noch eine Gesichts- und irgendwelche Ganzkörperbehandlungen verpasst bekam.
Sie erschauderte.
»Reden Sie mit ihr.«
»Feigling.«
»Stimmt. Wollen Sie sonst noch etwas dazu beitragen?«
Peabody studierte Eves Frisur. »Ihre Haare könnten einen Schnitt vertragen.«
»Und Ihnen täte sicherlich ein Abführmittel gut.«
Peabody zuckte mit den Schultern. »War ja nur ein Vorschlag.«
»Rufen Sie sie an, wenn Sie wieder an Ihrem Schreibtisch sitzen. Ich will dabei nicht mal in der Nähe sein. Falls sie nach mir fragt, erzählen Sie ihr, ich wäre auf
einer geheimen extraterrestrischen Mission und frühestens in ein paar Wochen - oder besser Jahren - wieder da.«
»Verstanden. Und wohin fahren wir jetzt?«
»Zu dem guten Diego.«
»Aber es ist doch noch gar nicht Mittagessenszeit.«
»Dann schieben Sie sich eben schon zum Frühstück einen Burrito rein.«
Bereits fünf Minuten nach Betreten des hübschen Restaurants musste Peabody erkennen, dass ihr das Glück einer netten kleinen Zwischenmahlzeit wieder einmal nicht beschieden war. Dabei roch es so wunderbar. Würzig und exotisch. Jugendliche saßen bei ihrem Frühstück und erfüllten das Lokal mit ihren gut gelaunten Stimmen, während die Bedienung mit einer Kanne von einem Tisch zum nächsten wanderte, um frischen Kaffee in die Becher zu gießen.
Diego hatte nie die Frühstücksschicht, wurden sie von einer der beschäftigten Serviererinnen aufgeklärt. Normalerweise tauchte er nicht vor dem späten Mittag auf.
»Er macht die Mittag- und die Abendschichten«, fasste Eve zusammen auf dem Weg zu seiner Wohnung, die direkt über dem Laden lag. »Dann ist nämlich nicht nur das Trinkgeld besser, sondern auch die Gäste sind mehr nach seinem Geschmack. Er kann seine Schichten nach Belieben wählen, denn sein Onkel ist der Boss. Prüfen Sie, ob er ein eigenes Fahrzeug hat, Peabody. Und dann gucken Sie nach, ob ein Lieferwagen auf den Onkel oder das Restaurant zugelassen ist.«
»Bin schon dabei.«
Während Peabody die Suchanfrage in den Handcomputer eingab, klopfte Eve bei Diego an die Tür. Als er nicht reagierte, benutzte sie die Fäuste, und einen Moment
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