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Der Hauch von Skandal (German Edition)

Der Hauch von Skandal (German Edition)

Titel: Der Hauch von Skandal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Cornick
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Sie spürte, wie der Blick des jungen Mönchs auf ihr ruhte. Trotz seiner Jugend hatte er das Gesicht eines alten Mannes, weise und abgeklärt. Unter seinem prüfenden Blick fühlte sie sich verwundbar, denn er schien zu viel zu sehen, alle ihre Hoffnungen und Ängste. Aber sie war es jetzt leid und viel zu müde, um ihre Empfindungen zu verbergen.
    Der Mönch führte sie durch eine Reihe von überdachten Gängen und durch Rundbögen zwischen den Gebäuden, vorbei an einer prachtvollen Kirche, einem Glockenturm und einem Tor, das zu einem üppigen botanischen Garten führte.
    „Durch die hohen Mauern ist der Garten windgeschützt“, erklärte Alex leise, als er sah, wie sie die grünen Bäume und Pflanzen bewunderte. „Außerdem haben sie ein raffiniertes Rohrsystem, durch das unterirdisch warmes Wasser fließt und somit den Erdboden erwärmt.“
    „Lottie wird sich freuen“, stellte Joanna fest. „Endlich bekommt sie Bäume zu sehen.“
    „Sie wird auch ein heißes Bad nehmen können“, ergänzte Alex, „was sie zweifellos noch mehr erfreuen wird, da sie das Schwitzbad verschmäht hat. Das Gästehaus ist äußerst komfortabel eingerichtet.“
    Joanna sehnte sich ebenfalls nach einem heißen Bad. Schon bald, dachte sie, haben wir es warm mit sauberen Kleidern und weichen Betten. Dann wird alles gut.
    Sie bogen um eine Ecke, schritten durch ein herrliches Steinportal, dann klopfte der junge Mönch an eine große Holztür. Etwas murmelnd schlüpfte er in das Gebäude und ließ sie auf der Schwelle zurück.
    „Es dauert nicht lange“, teilte Alex ihr mit. „Er sagt nur dem Abt Bescheid, dass wir hier sind.“
    Das Herz schlug Joanna bis zum Hals. Ihre Gedanken taumelten durcheinander wie gefangene Schmetterlinge in einem Netz. Zum ersten Mal fragte sie sich, wie Nina wohl aussehen würde. War sie blond wie David, oder ähnelte sie ihrer russischen Mutter? Plötzlich fragte sie sich auch, wie Nina sich fühlen würde, wenn man sie aus ihrer gewohnten Umgebung holte; ein kleines Kind, das bereits seine Mutter verloren hatte und nun so weit fort in ein ganz neues Leben gebracht werden sollte. Warum hatte sie nicht schon früher daran gedacht? Wieder überkam Joanna die Angst, und sie presste die Handflächen fest zusammen.
    Die Tür ging auf.
    „Abt Starostin wird Sie jetzt empfangen“, verkündete der junge Mönch.
    Joanna zögerte, aber Alex fasste sie beim Arm und zog sie mit sich. „Nur Mut“, flüsterte er ihr zu.
    Sie betraten ein Studierzimmer. Es hatte große Fenster, von denen aus man über die Gärten bis zum Meer blicken konnte. Im Kamin prasselte ein Feuer. Teppiche in kräftigen Farben bedeckten den Steinfußboden, und auf einem Schreibtisch lag aufgeschlagen ein gewaltiges Buch mit Zeichnungen von Menschen, Seeungeheuern, Walen und Meerjungfrauen. Im ganzen Zimmer herrschte eine Atmosphäre vollkommenen Friedens, sodass Joannas Herzklopfen sich ein wenig legte.
    Ein Mann erhob sich von einem Stuhl neben dem Kamin und kam auf sie zu. Er war alt und ging leicht gebückt. In der Hand hielt er einen Brief, und Joanna zuckte zusammen, als sie Davids Handschrift erkannte. Es stimmte also. Bis zu diesem Augenblick war sie sich nicht ganz sicher gewesen, ob sie es wirklich glauben sollte. Ihr verstorbener Mann hatte tatsächlich Anweisungen, was mit seiner Tochter geschehen sollte, im Kloster hinterlegt. Er hatte den Mönchen gesagt, dass seine Frau eines Tages wegen des Kindes kommen würde. Und nun war sie hier.
    Ihre Aufregung kehrte mit einem Schlag zurück, und sie erschauerte. Sie wusste, dass Alex es bemerkt hatte, denn er sah sie aufmerksam an. Auf einmal konnte sie nicht länger warten.
    „Hochwürdigster Vater Abt …“
    Der Ausdruck auf dem ernsten alten Gesicht des Abts veränderte sich jedoch nicht; es gab kein Anzeichen, dass ihre Freude, ihn zu sehen, auf Gegenseitigkeit beruhte. Mit blassgrauen, scharfsichtigen Augen betrachtete er Joanna prüfend. Dann gab er ihr die Hand, die sich kühl und trocken wie Pergament anfühlte. „Ich heiße Sie willkommen in Bellsund, Lady Grant“, sagte er. Sein Englisch war tadellos. Er wandte sich an Alex und verneigte sich leicht. „Lord Grant, es ist mir ein Vergnügen, Sie wiederzusehen.“ Mit einem kaum wahrnehmbaren Stirnrunzeln fuhr er fort: „Wenn ich es richtig verstanden habe, Lady Grant, sind Sie aus England gekommen, um Nina Ware, die Tochter ihres verstorbenen Ehemanns, abzuholen und sie mit zu sich nach Hause zu nehmen?“
    „Das

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