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Der Hauch von Skandal (German Edition)

Der Hauch von Skandal (German Edition)

Titel: Der Hauch von Skandal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Cornick
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ist richtig.“ Joanna hatte Mühe zu sprechen. Ihr Herz klopfte jetzt wieder heftig, und sie zitterte.
    Der Abt nickte bedächtig. „So hat es Commodore Ware in seinem Brief verfügt“, bestätigte er mit einem schwer definierbaren Unterton. „Ich werde Sie jetzt sofort zu Nina bringen, nachdem Sie eigens dafür eine so weite Reise auf sich genommen haben, und ich merke Ihnen an …“, er lächelte fein, „… dass Sie es kaum erwarten können, sie zu sehen.“
    Sie folgten ihm durch scheinbar endlose steinerne Flure wieder hinaus in die kalte, frische Luft. Joanna, die ihn so vieles hatte fragen wollen, ging nun still neben dem Abt. Ihre frühere Besorgnis hatte sich nicht gelegt, sie hatte sich nur verändert. Es lag wohl daran, wie ruhig der Abt alles akzeptierte. Es hatte keinerlei Kritik in seinem Tonfall gelegen; er hatte ihr auch nicht verboten, Nina zu sehen oder sie mitzunehmen. Trotzdem hing etwas Unausgesprochenes in der Luft, das Joanna nicht verstand. Sie spürte es deutlich, und es machte ihr Angst. Alex schien es ebenfalls zu fühlen, denn er zog sie fester an sich und bot ihr so stumm den Trost seiner Nähe.
    Sie bogen um eine Ecke und standen vor einem langen, flachen Gebäude mit einem Garten. Helle Kinderstimmen erfüllten die Luft. Joanna zuckte zusammen, das Ganze kam ihr an diesem Ort so unwirklich vor.
    „Wir haben hier eine Schule“, erklärte Abt Starostin. Joanna fiel ein, dass Anya ihr erzählt hatte, sie hätte in der Klosterschule Englisch gelernt. „Die Jäger und Fallensteller kommen und gehen“, fuhr der Abt fort, „aber für ihre Kinder haben wir hier immer Platz.“
    Die Kinder spielten. Es waren ungefähr zehn oder elf, und sie hatten Reifen, Schlaghölzer, Bälle, glänzende, aus Strandkieseln gemachte Murmeln und handbemalte Kreisel, die in der Sonne leuchteten. Joanna dachte an die Kiste voller Spielsachen von Hamleys. Sie waren bunter, neuer und kostbarer als dieses selbst gebastelte Spielzeug. Sie konnte Nina jede Menge Spielzeug und Puppen kaufen und sie mit Geschenken und kleinen Schmuckstücken verwöhnen.
    „Das ist Nina“, sagte Abt Starostin und zeigte auf ein kleines Mädchen, das fröhlich plaudernd mit zwei anderen Kindern zusammen bunte Steine auf eine Lederschnur zog. „Sie ist inzwischen fast sechs Jahre alt.“
    Dunkel wie ihre Mutter dachte Joanna, nicht blond wie David …
    Nina war ein zierliches Kind mit schwarzen Haaren und schwarzen Augen. Sie trug ein ausgeblichenes rosa Kleid mit einer kleinen weißen Schürze darüber. Alte Sachen dachte Joanna.
    Ich werde ihr neue Kleider kaufen, alles was sie will; Kleider mit Schärpen in allen Farben des Regenbogens und Häubchen mit passenden bunten Bändern …
    Sie wollte zu der Kleinen hinlaufen, sie auf den Arm nehmen und an sich drücken. Dieser Wunsch war so übermächtig, dass er ihr fast den Atem raubte.
    „Der andere Junge und das Mädchen sind ihr Cousin und ihre Cousine“, erklärte der Abt., „Sie heißen Toren und Galina.“
    Joanna sah ihn scharf an. „Cousin und Cousine? Aber ich dachte, Nina sei Waise?“
    „Das ist sie auch, aber ihre Mutter war ursprünglich mit ihrem Bruder nach Spitzbergen gekommen. Er hat selbst eine Familie hier im Dorf. Als Nina Waise und bei uns untergebracht wurde, hat er uns gebeten, sie bei sich aufnehmen zu dürfen. Nina wohnt nicht hier, sondern bei ihrer Familie.“
    Joanna beobachtete, wie Nina einen der vollkommen gerundeten Kiesel in die Sonne hielt und lachte, als er im Licht bunt glitzerte. Das andere kleine Mädchen, Galina, schien ein ernstes Kind zu sein. Es legte Nina einen neuen Stein in die Hand, und die beiden beugten ihre dunklen Köpfe darüber, um ihn sich anzusehen.
    Etwas Dunkles, Schweres legte sich um Joannas Herz.
    Cousins und Cousinen, Spielgefährten, Freunde … Eine Familie im Dorf, Menschen, die sie liebten …
    Das alles war anders, als sie es sich vorgestellt hatte.
    Nina sah gepflegt aus, gut genährt. Glücklich.
    Der Abt redete ruhig weiter, berichtete von Ninas Familie, der Schule und welchen Unterrichtsstoff sie den Kindern anboten, wenn sie heranwuchsen. Joanna versuchte, sich Nina in einer ganz anderen Umgebung vorzustellen; beim Spaziergang in einem Londoner Park mit ihrer Gouvernante, beim Ausfahren in Joannas Kutsche, beim Spielen mit Max. Nina würde bald neue Freunde finden, dachte sie. Vielleicht konnte sie auch zur Schule gehen, in eine der Klosterschulen in Bath. Der Horizont war weit, die Möglichkeiten endlos,

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