Der Hauch von Skandal (German Edition)
Mann?“, fragte Joanna ruhig.
„Auch einen Mann sollte man zu so etwas nicht ermutigen“, gab Lord Ayres zurück, „es sei denn, der Reisende ist ein so heldenhafter Forscher wie Lord Grant. Er ist wirklich dafür gerüstet, sich allen möglichen Gefahren zu stellen.“ Er schüttelte sich. „Doch sonst ist das Reisen in der Tat eine furchterregende und schrecklich vulgäre Angelegenheit. Ich sähe es nicht gern, wenn Sie die Leute auf den Gedanken bringen würden, so etwas einmal auszuprobieren, Lady Joanna. Gott bewahre, dass Sie eine neue Mode daraus machen!“
„Aber Sie reisen doch auch jedes Jahr nach Brighton und Bath, Mylord“, protestierte Joanna, als Lady Ayres nickte, um die Ansicht ihres Mannes zu bekräftigen.
„Brighton liegt nicht im Ausland“, betonte Lady Ayres. „Es ist weitaus schwieriger, seinen Lebensstandard im Ausland aufrechtzuerhalten. Zunächst einmal sind dort die Ausländer in einer beklagenswerten Überzahl …“
„Dazu kommen grässliche Unterkünfte und absolut ungenießbares Essen“, ergänzte Lord Ayres mit grimmiger Schadenfreude. „Was isst man überhaupt am Nordpol? Fisch?“
„Sauer eingelegte Eiderenteneier“, behauptete Joanna. „Zumindest glaube ich das. Mein verstorbener Mann hielt sie für eine besondere Delikatesse.“
Bei dem Gedanken an sauer eingelegte Eier wurde Lady Ayres so blass, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen. Lottie hatte größte Mühe, ein ernstes Gesicht zu machen. „Wie wunderbar, dass es dort Eiderenten gibt“, sagte sie. „Wir können unsere Matratzen mit ihren Daunen füllen, dann sind unsere Unterkünfte bestimmt nicht mehr annähernd so grässlich.“
„Wahrscheinlich haben sie recht damit, dass die Reise ziemlich ungemütlich wird“, sagte Joanna, als Lord und Lady Ayres weiterfuhren, um Platz für weitere Klatschbasen neben dem Landauer zu machen. „Lord Grant hat uns nichts vorgemacht, Lottie. Wir werden das Ganze hassen. Kein heißes Wasser, kein ordentliches Essen, und wahrscheinlich frieren uns irgendwann die Finger ab …“
„Feigling!“ Lottie schien ganz aufgeregt bei der Aussicht auf ein Abenteuer, selbst auf ein frostiges. „Du wirst den netten Captain Purchase bitten müssen, dich zu wärmen, während ich es mir mit Lord Grants anbetungswürdigem Cousin gemütlich mache. Und vielleicht auch noch mit Captain Purchase“, fügte sie nach kurzem Nachdenken hinzu. „Ich habe mich noch nicht entschieden, welchen von beiden ich bevorzuge.“
Immer mehr Menschen versammelten sich um den Landauer; es waren so viele Reiter und Kutschen, dass die Pferde nervös wurden und zu scheuen drohten. Joanna wurde mulmig zumute, als sie sah, dass John Hagan sich seinen Weg durch die Menge bahnte. Nachdem er sie vor ein paar Tagen mit Alex zusammen gesehen hatte, war sie zuversichtlich gewesen, dass er den Wink verstanden hatte und sein unerwünschtes Werben einstellen würde. Doch wie es schien, war er hartnäckiger, als sie gedacht hatte. Als Davids Cousin hatte er die fadenscheinige Ausrede, um ihr Wohlergehen besorgt zu sein, aber Joanna wusste, das war nur eine List. Hagan hatte ihr schon vor Davids Tod Avancen gemacht, was darauf hindeutete, dass er keinerlei Gespür für Anstand hatte. Erst seit sie Witwe war, umfassten seine schleimigen Angebote auch eine Ehe, nicht mehr nur eine Affäre.
„Hier ist ja heute mehr Betrieb als auf der Bond Street“, meinte Hagan mürrisch und klammerte sich an Lotties Landauer. „Liebe Cousine“, wandte er sich mit melodramatischer Stimme an Joanna, „was für ein neuerlicher Skandal ist mir da zu Ohren gekommen? Sie wollen zum Nordpol reisen? Als Frau sind Sie viel zu kostbar und zu schwach zum Reisen. Und als Familienoberhaupt kann ich Ihnen das einfach nicht gestatten.“
„Sie übertreiben, Hagan.“ Joanna fuhr herum, als sie Alex Grants spöttische Stimme vernahm. „Lady Joanna ist in keiner Weise schwach.“ Ihre Blicke trafen sich, und Joanna sah das boshaft-amüsierte Funkeln in seinen Augen. „Außerdem“, fuhr Alex fort, „werde ich sie auf dieser Reise beschützen.“ Er verneigte sich. „Zu Ihren Diensten, Lady Joanna.“
„Lord Grant.“ Sie nickte unterkühlt, als er sein Pferd neben den Landauer lenkte. Er machte eine großartige Figur im Sattel, der geborene Reiter. Ihr wurde bewusst, dass sie das nicht von ihm erwartet hatte, und fragte sich nun, warum eigentlich nicht. Schließlich war er in den schottischen Highlands geboren und
Weitere Kostenlose Bücher