Der Hauch von Skandal (German Edition)
hausfraulichen Fähigkeiten beizubringen, die sie als Nichte eines Vikars beherrschen sollte – backen, Obst einkochen und etwas, das ihrer Erinnerung nach mit Essig zu tun hatte und dazu diente, Gemüse einzulegen. Leider hatte sie nur lernen wollen, wie sie ihr Aussehen dazu nutzen konnte, dem Pfarrhaus zu entfliehen. „Das ist kein Grund, mich so anzusehen“, verteidigte sie sich. „Hast du wirklich erwartet, dass ich solche Dinge beherrsche? Du wusstest, wie ich bin, als du mich geheiratet hast.“
Einen Moment lang herrschte Stille. Aus einem unerfindlichen Grund fühlte Joanna sich klein und elend. Noch nie zuvor hatte sie bereut, sich in der Küche nicht auszukennen.
„Das stimmt, ich wusste es.“ Alex’ Worte schenkten ihr kaum den Trost, nach dem sie sich so sehnte. Er stand auf.
Joanna seufzte erleichtert auf, als ob plötzlich wieder mehr Platz in der Kajüte wäre und es wieder genug Luft zum Atmen für sie gab. Alex so nah bei sich zu haben, wirkte sich nicht unbedingt günstig auf ihr inneres Gleichgewicht aus.
„Ich schicke dir Frazer mit heißem Wasser“, sagte er. „Du wirst dich besser fühlen, nachdem du dich gewaschen hast.“ In der Kajütentür blieb er noch einmal stehen. „Joanna …“
Ein Schauer überlief sie beim Klang seiner Stimme. „Ja?“, fragte sie bemüht gelassen.
„Wenn du nicht aufstehst, komme ich und ziehe dich eigenhändig an“, fuhr Alex freundlich fort, aber seine Augen funkelten. „Und ich glaube nicht, dass dir das gefallen würde. Ich bin nicht so geschickt wie eine Zofe.“
Wieder bekam Joanna eine Gänsehaut. In jener Nacht im Grillon’s hatte er sich als durchaus geschickt beim Ausziehen ihrer Kleidung erwiesen.
„Und noch etwas, Joanna …“ Er hatte immer noch dieses beunruhigende Funkeln in seinen Augen. „Heute Nacht schlafe ich wieder mit in dieser Kajüte.“ Er nickte in Max’ Richtung. „Der Hund wird sich ein anderes Quartier suchen müssen. Ich weigere mich, deine Koje mit diesem Fellbündel zu teilen.“
Er ging hinaus, und Joanna starrte reglos auf die geschlossene Tür. Sie war sich nicht sicher, was sie mehr erschreckte – Max’ Verbannung oder die Vorstellung, dass Alex mit ihr in dieser lächerlich kleinen und engen Kajüte wohnen würde, auch wenn es nur für eine Woche war, bis sie Land erreichten. Eine Woche konnte schrecklich lang sein. Alex würde sie im Negligé sehen, bevor sie sich ein Kleid ausgesucht, ihr Haar frisiert und sich zurechtgemacht hatte. Sie fand es furchtbar genug, dass er sie seekrank gesehen hatte, aber da hatte sie wenigstens eine Entschuldigung für ihr entsetzliches Äußeres gehabt. Sie hatte nie daran gedacht, dass Alex in ihre Kajüte einziehen und sie so zu einer Nähe zwingen könnte, die sie gar nicht wünschte.
Sie zog die Knie an die Brust und schlang die Arme darum. Nein, sie wollte diese Nähe nicht. Jedes Mal, wenn er sie berührte, würde es sie daran erinnern, dass er sich einen Erben wünschte, den sie ihm nicht schenken konnte. Es würde sie an ihren Verrat und ihre leeren Versprechungen erinnern. Sie legte die Stirn auf die Knie. Was für eine furchtbare Täuschung, aber was hätte sie sonst tun sollen? Nina, einsam und ungeliebt, brauchte sie. Joanna wiederum wollte das Kind unbedingt haben. Sie hatte das Notwendige getan, um die Zukunft für sie beide zu sichern, doch die Schuldgefühle lasteten wie Blei auf ihr.
Wieder dachte sie an die Nacht, die sie mit Alex verbracht hatte. Es schien schon so lange her zu sein, so weit entrückt, dass sie mittlerweile nicht mehr war als ein leidenschaftlicher Traum. In dieser Nacht waren alle ihre Sinne geweckt worden, und Joanna hatte eine Ahnung davon bekommen, wie es zwischen Mann und Frau sein konnte. Es war verlockend, aber auch gefährlich, denn es hatte sie dazu verleitet, mehr zu wollen, als Alex zu geben bereit war. Und schmerzhaft war es ebenfalls, denn sie hatte erkannt, wie anders ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie sich nicht in David verliebt und diesen falschen Weg eingeschlagen hätte. Sie hatte sich nichts als einen liebevollen Ehemann und eine Familie gewünscht. Dieses Ziel war ihr einst so leicht erreichbar vorgekommen, und doch war sie so schmerzhaft gescheitert. Jetzt war auch ihre zweite Ehe vergiftet, aufgebaut auf einer schrecklichen Lüge.
Joanna schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Besser, sie grübelte nicht darüber nach. Alex würde die Wahrheit nie erfahren. Sie musste nur ihre Rolle spielen, sich
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