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Der Hauch von Skandal (German Edition)

Der Hauch von Skandal (German Edition)

Titel: Der Hauch von Skandal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Cornick
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der Albtraum hatte begonnen.
    Joanna war felsenfest davon überzeugt gewesen – auch wenn sie keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet hatte –, eine gute Seefahrerin zu sein. Doch leider waren gerade erst drei Stunden seit ihrem Ablegen in Chatham vergangen, als das Wetter umgeschlagen war und sich ein Sturm auf der Nordsee zusammengebraut hatte, der die Sea Witch wie eine Nussschale auf den Wellen hatte tanzen lassen.
    „Es könnte ein wenig ungemütlich werden“, hatte Captain Chase mit schleppendem südenglischem Akzent gesagt und mit seinen grünen Augen skeptisch zum Horizont geblickt, der plötzlich bleigrau und regenverhangen geworden war. „Ich schlage vor, Sie gehen lieber unter Deck, Madam.“
    Joanna war gegangen und seitdem nicht wieder aufgetaucht. Sie hatte keine Ahnung, wie viele Tage vergangen waren oder welche Strecke sie bereits auf ihrer Reise zurückgelegt hatten. Sie lag in ihrer Kajüte, während die Welt um sie herum schlingerte und rollte und ihr Magen gleich mit. Sobald Joanna sich bewegte, überfiel sie eine schwindelerregende Übelkeit. Also hatte sie sich hingelegt und gebetet, die Welt möge endlich zum Stillstand kommen. Ihr Gebet war nicht erhört worden. Stattdessen hatte ihre Welt sich reduziert auf das Knarren und Ächzen der Schiffsplanken, den Geruch von Teer und Öl und das Gefühl erbärmlichen Elends.
    Sie drehte sich um und starrte an die Wand. Sie fühlte sich jämmerlich und einsam. Alex hatte schon seit Tagen nicht mehr nach ihr gesehen. Das hatte wahrscheinlich etwas damit zu tun, dass sie ihm verboten hatte, ihr nahezukommen, solange sie so abstoßend aussah. In der ersten Nacht war er ausgesprochen freundlich gewesen, was sie ihm gar nicht zugetraut hatte. Er hatte ihr das Haar aus der schweißnassen Stirn gestrichen, ihr den Eimer hingehalten, wenn sie ihn brauchte, und versucht, sie zum Essen zu bewegen, damit ihr Magen sich beruhigte. Es war ihr schrecklich peinlich gewesen, dass er sie so gesehen hatte – bleich wie ein Gespenst und mit verfilztem Haar. Dadurch fühlte sie sich verwundbar und schutzlos. Sie war immer stolz auf ihre Haltung und Würde gewesen. Ohne sie kam Joanna sich beinahe nackt vor, vor allem unter Alex’ aufmerksamem Blick. Um ihren Stolz zu wahren, hatte sie ihn fortgeschickt. Daher konnte sie es ihm wohl kaum zum Vorwurf machen, wenn er sich nicht mehr bei ihr blicken ließ, außer um ihr Teller mit fettiger Brühe hinzustellen, die sie aber nicht anrührte.
    Joanna drehte sich abermals um, als eine neue Welle der Übelkeit sie überfiel. Lord und Lady Ayres hatten anscheinend doch recht gehabt. Es war wirklich unmöglich, auf Reisen seinen gewohnten Lebensstandard beizubehalten.
    Sie dachte an die Berge von Gepäck am Kai an jenem Nachmittag in London – Lottie hatte eine Sitzbadewanne mitgenommen, unzählige Schachteln duftender Kräuterseife, ihr Teeservice, eine Kiste Tee, zwanzig Pfund Bonbons, einen kleinen Schreibtisch, eine Fußbank, sieben Reisekoffer, einen Butler und eine Zofe.
    Joanna hatte versucht, vernünftiger und praktischer zu denken. Zu ihrem Gepäck hatte eine Kiste mit Äpfeln und Apfelsinen gehört, ein paar Säcke Feuerholz, ein mit Pelz ausgelegtes Körbchen für Max, eine Kiste mit Spielzeug für Nina und nur fünf Reisekoffer. Nie würde sie Alex’ fassungslosen Gesichtsausdruck vergessen, als er die Unmengen Gepäck gesehen hatte. Dev und Owen Purchase hatten schallend gelacht, aber Alex hatte vom Gepäck zu Joanna und Lottie gesehen – beide mit Umhängen aus Seehundfell und Eskimostiefeln ausstaffiert – und den Kopf geschüttelt.
    „Du siehst aus wie ein Bär“, hatte er zu Joanna gesagt.
    „Nicht unbedingt das charmanteste Kompliment, das man mir je für mein Stilgefühl gemacht hat“, hatte Joanna spitz zurückgegeben, „aber von dir hätte ich auch nichts anderes erwartet.“
    „Die Lebensmittel werden innerhalb weniger Tage verderben, und wenn Sturm aufkommt, schwimmen wir alle in Tee“, fuhr Alex ungerührt fort. „Der Schreibtisch könnte aber als Feuerholz nützlich sein. Ich hätte die Admiralität um zwei zusätzliche Begleitschiffe für all euer Gepäck bitten sollen, anstatt nur um eins.“
    Genau in diesem Moment hatte das von der Admiralität geschickte Orchester einen Tusch gespielt. Die Menge hatte gejubelt, und Lord Yorke zu einer Rede angesetzt. Alex nahm Joannas Arm und zog sie mit sich unter Deck zu ihrer Kajüte, einem winzigen, dunklen und engen Raum, den Joanna im ersten Moment

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