Der Hauch von Skandal (German Edition)
bin.“
Alex lächelte unbeirrt. „Dafür gibt es durchaus Entschädigungen. In deinem Bett wird es mir bestimmt nicht langweilig.“
Joanna presste verstockt die Lippen aufeinander. Es war klar, dass sie dieses Gespräch nicht fortsetzen wollte. Sie hatte sich von ihm abgewandt, sodass er ihr Gesicht nicht mehr sehen konnte. Sie schien sich voll und ganz auf die Aussicht zu konzentrieren. Alex wartete. Worauf sollte er sich jetzt gefasst machen? Dass sie die herbe Schönheit der Landschaft genauso geringschätzig abtat wie Lottie die Shetlandinseln? Er war sich durchaus bewusst, dass Spitzbergen für die meisten Menschen zu winterlich und zu karg war, um ihnen zu gefallen. Die Landschaft ängstigte sie, vor allem diejenigen, die nie etwas anderes gesehen hatten als die sanft geschwungenen grünen Hügel und Felder im Süden Englands. Als Schotte war er Landschaften gewohnt, die andere Menschen einschüchterten; er fand darin Inspiration und Frieden. Allerdings konnte er von Joanna kaum erwarten, dass sie ebenso empfand.
Er bereitete sich innerlich darauf vor, dass sie ihm mitteilte, dieser Ort sei die Hölle auf Erden.
Joannas Gesicht war jetzt nach oben gewandt, und Alex fiel plötzlich auf, dass sie seit Wochen keine Sonne mehr gesehen hatte. Sie hatte die Kajüte kein einziges Mal verlassen. Er merkte, wie sie die Wärme mit allen Sinnen genoss und darin schwelgte wie eine Katze. Ihre Augen waren geschlossen, ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, und ihr Körper wirkte weich und entspannt. Alex’ Verlangen regte sich. Ihre Lippen waren so weich, rosig und halb geöffnet; er wollte sie küssen. Er verzehrte sich danach, sie zu küssen.
Die Meeresbrise wehte ihr die Federn ihres Hutes ins Gesicht und Joanna strich sie fort. „Wie herrlich, endlich wieder an der frischen Luft zu sein“, sagte sie. „Ich hatte fast vergessen, wie sich das anfühlt.“
„Es war nicht ganz so herrlich, als das Wetter noch schlecht war.“ Alex war fasziniert davon, wie schnell sie sich wandeln konnte. Eben war sie noch störrisch und launisch gewesen, jetzt wirkte sie offen, natürlich und anziehend. Vielleicht war sie doch nicht so ein empfindliches Pflänzchen, wie er gedacht hatte. „Das einzig Gute an dem Sturm war, dass wir Rückenwind hatten und sich unsere Reisezeit dadurch beträchtlich verkürzt hat“, bemerkte er. „Ich habe schon zwei Monate und mehr für die Reise gebraucht.“
„Dann kann ich mich ja äußerst glücklich schätzen.“ Joanna drehte sich um, ging zur Steuerbordseite des Schiffs und legte die Hände auf die Reling. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so warm sein würde“, rief sie ihm über die Schulter hinweg zu.
Alex lachte. Merryn hätte ihn jetzt wohl ausgefragt über das Wettergeschehen, Durchschnittstemperaturen und Barometerstände. Joanna hingegen schien sich fraglos und zufrieden mit der Tatsache abzufinden, dass es ein relativ warmer Tag für arktische Verhältnisse war. Sie verfügte nicht über die intellektuelle Wissbegierde ihrer Schwester. „In einer Stunde wird es vermutlich schneien“, sagte er.
Joanna sah ihn zweifelnd an. „Wirklich?“
„Möglich ist es.“ Alex zuckte die Achseln. „Die Wettervorhersage ist keine präzise Wissenschaft, vor allem hier, wo sich die Wetterlage innerhalb einer halben Stunde dramatisch ändern kann.“
„Nun denn …“ Dieses Mal war Joannas Lächeln aufrichtig und unkompliziert. „Dann werde ich das hier eben einfach so lange genießen müssen, wie es andauert.“
Wie Alex überrascht feststellte, war das gar keine schlechte Lebensphilosophie. Vielleicht hatte es doch etwas für sich, nur den Augenblick zu leben.
Joanna nahm ihre Wanderung über das Deck wieder auf und drehte sich immer wieder im Kreis, um die Aussicht ganz in sich aufzunehmen. Der Himmel war von einem vollkommenen, klaren Blau. „Hier gibt es keinen Rauch, der den Himmel verfinstert“, stellte sie fest. „Keinen Londoner Nebel. Hier ist es so hell, dass meine Augen beinahe schmerzen, und die Luft ist so klar und frisch, dass sie sich wie Nadelstiche auf der Haut anfühlt. Wie sehr alles glitzert!“ Ein staunender Ausdruck lag auf ihrem Gesicht, als sie die schroffen Berggipfel, Gletscher und langen weißen Schneefelder an deren Flanken betrachtete, weiß und weich wie eine Decke. „So viel Schnee“, flüsterte sie, „und so weiß, dass er fast bläulich schimmert … So etwas habe ich noch nie gesehen, nicht einmal als Kind auf dem Land, wo es
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