Der Hausflug
seufzte Jonas. „Kannst du mir nicht einen Skaphander machen? Ich würde das Raumschiff wahnsinnig gerne sehen, das verstehst du doch?“
„Und ob ich das verstehe! Laß mich nachdenken, ja?“ Xindy brauchte nicht viel Zeit zum Nachdenken.
„Ich brauche ein paar von deinen Kleidern, am besten das, was du heute früh anhattest.“
„Kommt sofort!“ Jonas packte Trainingsanzug, Socken und Schuhe, Handschuhe und Mütze zusammen.
„Danke, das reicht. Lege es mir vor die Tür. Beeil dich bitte, wir landen gleich. Ich weiß nicht, ob es dieses Mal wieder so sanft abgehen wird, lege dich lieber aufs Bett.“
Über dem Wasser lag dicker Nebel. Jonas sah nichts von der Ostsee und nichts von der Küste, die Wolken verschmolzen übergangslos mit dem Nebel. Er richtete sich erst auf, als er die Bodentür klappen hörte.
„Bleib bitte liegen“, sagte Xindy. „Sicher ist sicher. Und werde nicht ungeduldig, ich komme bestimmt zurück.“
Jonas stand nicht auf, aber er rückte ganz dicht an das Fenster; das Haus schwebte etwa einen Meter über dem Wasser. Er sah, wie Xindy ins Wasser tauchte: mit den Armen voran, den Schwanz aufgerichtet, ein silbern glänzendes, metallisches Krokodil mit einem dicken silbernen Rucksack. Jonas dachte noch einmal an all das, was er erlebt und was er von Xindy gehört hatte. Plötzlich schreckte er auf. Irgend etwas gurgelte da. Und das Haus schaukelte!
Er sprang aus dem Bett, Wasser spritzte unter seinen Füßen auf. Es stand knöchelhoch im Zimmer. Ein Blick aus dem Fenster zeigte, daß das Haus nicht mehr über dem Meer schwebte, sondern in ihm versank! Das Wasser reichte schon fast bis an die Fenster.
Die Haustür war zu, auch die Fenster im Wohnzimmer und in der Küche, als Jonas jedoch die Tür zum Klo öffnete, schoß ihm ein Wasserstrahl entgegen, riß ihn beinahe um. Jonas schrie um Hilfe. Immer wieder. Xindy antwortete nicht.
Jonas nahm seine Sachen, stopfte sie in den Rucksack, riß den Wasserkanister an sich; Plast schwimmt auf Wasser, daran konnte er sich festhalten wie an einem Rettungsring. Er wollte lieber in die Ostsee springen als hier wie eine Katze ersäuft werden. Von Xindy? Jonas schämte sich, kaum daß er es gedacht hatte. Nein, Xindy würde ihm so etwas nicht antun. Wo blieb er nur? Hörte er nicht seine Hilferufe?
Es war schon zu spät, das Haus zu verlassen. Das Meer drückte gegen die Tür, und keines der Fenster ließ sich öffnen. Und das Haus sank immer tiefer. Jonas hastete die Treppe hinauf. Die Tür zur Bodenkammer war nach wie vor verrammelt. Langsam stieg das Wasser höher, Stufe um Stufe. Jonas blickte auf die Uhr. Sieben Minuten für eine Stufe. Er konnte sich ausrechnen, wann er ertrinken mußte. Xindy! dachte er, Xindy! Die Angst schnürte ihm die Luft ab.
„Ruhig, verdammt noch mal“, schnauzte er sich an, „bist du wohl ruhig, Jonas Breesemann!“ Er atmete tief durch, doch die Angst blieb.
„Um Himmels willen“, rief da Xindy, „was ist los?“
Jonas seufzte erleichtert. Nun würde bestimmt alles gut werden.
„Das Haus sinkt“, schrie er, „und ich sitze hier wie in einer Mausefalle. Hilf mir.“
„Wie lange kannst du es noch aushalten?“ erkundigte sich Xindy.
Jonas blickte auf das Wasser, das bereits die oberste Stufe erreicht hatte und seine Füße umspülte.
„Zwanzig, höchstens dreißig Minuten.“
„Das wird reichen“, erklärte Xindy. „Hab keine Angst. Ich hole dich auf jeden Fall heraus, bevor es zu spät ist, ich will aber versuchen, das Haus zu retten. Wir brauchen es doch.“
Jonas vernahm einen eigentümlich hohen, unangenehm schrillen Ton, ein Zittern erfaßte seinen Körper, trieb ihm Gänsehaut auf die Arme, seine Haare standen zu Berge, auch die auf dem Kopf, wie Jonas sich überzeugte, alle Zähne täten ihm weh, und er fror wie ein Schneider. Warum sagte man eigentlich so? Frieren Schneider denn mehr als andere Leute? Daß er in diesem Augenblick noch an so was denken konnte! Das Wasser stand ihm schon bis an die Knie.
Er klemmte den Rucksack gegen die Tür, preßte Arme und Kopf dagegen; wenn er ganz fest zudrückte, spürte er das teuflische Zittern und die Schmerzen nicht so. Er zwang sich, ruhig zu atmen. Das Wasser kletterte den Bauch hinauf.
Wenn Xindy sich nicht beeilte, war er verloren. Und er befand sich nicht auf einem fremden, feindlichen Planeten. Er saß hier auf der heimatlichen Erde. Gefangen in diesem verdammten Haus. Jeden Augenblick konnte die Ostsee ihn verschlingen. Und
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