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Der heilige Erwin und die Liebe

Der heilige Erwin und die Liebe

Titel: Der heilige Erwin und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasna Mittler
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Moment lang hatte er gedacht – oder in diesem Falle sogar einmal gehofft –, dass es sich um einen der Scherze seiner Brüder handeln müsse. Wobei die normalerweise nicht so einfallsreich sind, ihm sprechende Tiere vorzusetzen …
    Jesus, der sprungbereit auf der Fensterbank hockt, beobachtet die beiden verständnislos. Es überrascht ihn, dass sie mit seiner Erscheinung solche Schwierigkeiten haben. Früher war es leichter, die Leute an Wunder glauben zu lassen, denkt er. Diese Kinder hingegen scheinen misstrauischer zu sein, als er es erwartet hatte. Jetzt stehen sie beide wie versteinert in der Mitte der Hütte, mit hängenden Armen und ratlosen Gesichtern.
    Olli ist der Erste, der seine Sprache wiederfindet. »Hast du eben was gesagt?«, fragt er die Katze leise, fast im Flüsterton.
    Mit einem leichtfüßigen Sprung landet Jesus wieder zwischen den Kindern. »In der Tat«, sagt er und setzt sich. »Und auch wenn ich verstehe, dass ihr darüber aufgebracht seid, so möchte ich euch doch bitten, mir einen Augenblick zuzuhören.«
    Während die Katze gesprochen hat, hat Erbse ihren Blick auf die Schnauze des Tieres geheftet. Seltsam sieht das aus, wie die Katze ihr Maul verzieht, die raue Zunge zwischen den Fangzähnen zum Artikulieren einsetzt, wo sonst nur ein simples »Miau« gebildet wird. Erbse fällt auf, dass die S-Laute der Katze nicht so leicht über die Lippen gehen, bei diesen Tönen lispelt das Tier ein wenig.
    Â»Sie ist tatsächlich echt«, sagt das Mädchen schließlich und lässt sich auf einen der kleinen Hocker sinken. »Sie hat wirklich gesprochen, ich habe es genau beobachtet!« Erbse spürt eine Gänsehaut über die Arme kriechen. Vor Schreck, aber auch vor Aufregung. Hier bahnt sich ein unglaubliches Abenteuer an, das ist gewiss! Sie räuspert sich. »Wie heißt du denn?«, fragt sie.
    Â»Marrrlene«, schnurrt das Tier.
    Â»Ich heiße Erbse, und das da ist Lolli«, sagt das Mädchen eifrig.
    Jesus nickt den beiden freundlich zu. Allmählich scheinen sie zu begreifen, dass sie es hier mit einem waschechten Wunder zu tun haben. Er spürt, wie sich sein Katzenkörper entspannt und ihn eine warme, müde Zufriedenheit überkommt. Er muss dem Drang widerstehen, sich auf der Stelle langzumachen und einzuschlafen, auch wenn der Körper sehnlichst danach verlangt. Immerzu diese Müdigkeit, den ganzen Tag schon! In seiner ersten Nacht als Katze hingegen hatte er sich munter und unruhig gefühlt und kaum ein Auge zugetan. Nun ist er den Kindern jedoch ein paar Erklärungen schuldig, davor wird es nichts mit dem Nickerchen. Während Jesus noch darüber nachsinnt, wie er das Gespräch am besten anfangen soll, ist von draußen ein Winseln zu vernehmen.
    Â»Der Hund!«, ruft Olli aus. »Du hast doch etwas von einem Hund erzählt!«
    Im nächsten Moment quetschen sich die beiden Kinder durch die Tür und springen nacheinander von der Plattform herunter, die dem Baumhaus als Boden dient. Am Fuße des Baumstamms sitzt ein mittelgroßer, schwarzer Mischlingshund, der sie aus dunklen Augen anblickt.
    Â»Entschuldigung, ich wollte nicht bellen, das wäre vielleicht nicht angebracht gewesen«, sagt er mit rauer Stimme, wobei er die Lefzen hochzieht, um nicht versehentlich darauf zu beißen. »Frido ist mein Name. Ich … arbeite mit Marlene zusammen!«
    Das ist zu viel für Olli. Der Junge taumelt rückwärts, ihm dreht sich alles vor Augen. Jetzt bloß nicht ohnmächtig werden!, befiehlt er sich in Gedanken selbst. Das wäre superpeinlich! Mit dem Rücken gegen den Baumstamm gelehnt, konzentriert er sich darauf, tief ein- und auszuatmen.
    Erbse hingegen scheint von der neuen Überraschung eher belebt als erschreckt zu sein. »Hallo, Fri­do«, sagt sie erstaunlich gelassen.
    Im nächsten Moment landet Marlene vor den Füßen des Hundes. »Da ihr euch nun schon bekannt ­gemacht habt, schlage ich vor, dass wir zur Sache kommen. » Die Katze schaut sich um. »Können wir hier ungestört reden?«
    Â»Meine Mutter kann jeden Moment zum Fenster herausschauen«, gibt Erbse zu bedenken. »Das macht sie alle paar Minuten, wenn ich im Garten bin. Also, vielleicht sollten wir lieber – Gassi gehen?« Sie schaut den Hund an, der sofort erwar tungs­voll aufspringt. »Wartet einen Moment, ich bin gleich wieder

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