Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der heilige Erwin und die Liebe

Der heilige Erwin und die Liebe

Titel: Der heilige Erwin und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasna Mittler
Vom Netzwerk:
Darum geht es?, denkt er. Deshalb die ganze Aufregung? Aber gerade, als er zu einer Erklärun g ansetzen will, winkt die Mutter ab.
    Â»Ist ja auch egal jetzt!«, sagt sie bestimmt. »Worüber ich mit dir sprechen will, ist etwas anderes. Etwas, was mir dieser Erwin erzählt hat.« Sie beugt sich vor und greift nach der Hand ihres jüngsten Sohnes. »Olli«, sagt sie eindringlich. »Glaubst du wirklich, es ist deine Schuld, dass euer Vater weg ist?«
    Olli schluckt. Vorsichtig wirft er einen Seitenblick auf seine Brüder, die rechts und links von ihm sitzen. Chris hält den Blick starr auf die Tischplatte geheftet, Flo nagt an seinen Fingernägeln. »Na ja«, bringt Olli hervor, kaum mehr als ein Flüstern, »er ist doch abgehauen, weil ich kam. Und wegen mir musstet ihr umziehen, und du hast jetzt weniger Zeit für uns und bist immer im Stress. Also …« Er bricht ab, weil ein dicker Kloß in seinem Hals das Weitersprechen verhindert. Schnell steht er auf.
    Die Mutter steht plötzlich hinter ihm und nimmt ihn fest in den Arm. »Mein armer Schatz!«, sagt sie. »Das hat doch alles nichts mit dir zu tun!« Sie hält ihn eine Weile, und Olli weint still in ihren Pullover.
    Er hat das Gefühl, als ob sich in seinem Inneren etwas auflösen würde – wie ein Brausebonbon im Wasserglas.
    Â»Ist ja gut«, flüstert die Mutter und streicht ihm zart über den Kopf. »Ist ja alles gut!« Sie schiebt Olli mit sanftem Druck auf den Stuhl zurück. »Ich habe mit deinen Brüdern schon gesprochen«, sagt sie. »Die beiden haben dir was zu sagen!« Auffordernd nickt sie den Großen zu.
    Christof räuspert sich. »Tut mir leid«, nuschelt er, und Florian schiebt ein schnelles »’tschuldigung!« hinterher.
    Auch wenn das nicht sehr überzeugend klingt, ist es doch mehr, als Olli je erwartet hätte. »Okay«, sagt er und wischt sich ein letztes Tränchen aus dem Augenwinkel.
    Â»Und mir tut es auch leid«, sagt die Mutter bestimmt. »Ich muss mich bei euch allen drei entschuldigen. Ich habe nicht gemerkt, wie sehr ihr euren Vater vermisst.«
    Â»Ich vermisse ihn nicht!«, beeilt sich Olli zu sagen. »Ich kenne den doch gar nicht!«
    Die Mutter nickt nachdenklich. »Möchtest du ihn denn kennenlernen?«
    Olli zuckt vorsichtig mit den Achseln. »Ich weiß nicht«, sagt er. Dabei hat er sich schon oft gefragt, wie sein Vater wohl ist. Die Mutter spricht nicht von ihm, außer wenn sie sehr wütend auf einen ihrer Söhne ist. »Du bist genau so wie dein Vater!«, rutscht es ihr dann heraus, und Olli fürchtet diesen Satz. Er kann sich nur schwer vorstellen, dass dieser Mann auch nette Seiten haben soll. Andererseits scheint er Chris und Flo zu fehlen, die ihn noch als »Papa« kennengelernt haben. »Wenn es dich nicht gäbe, wär der Papa noch hier!«, haben sie ihm mehr als einmal zu verstehen gegeben. »Ohne dich war es besser!« Und Olli hat ihnen geglaubt. Das alles soll jetzt nicht mehr stimmen?, fragt der Junge sich verwirrt. Er spürt eine kleine Freude in sich aufsteigen, traut sich aber noch nicht, dieses Gefühl zuzulassen.
    Später am Abend sitzt die Mutter an Ollis Bettkante. »Es war nicht fair, dass Chris und Flo dir die Schuld zugeschoben haben«, sagt sie sanft und kuschelt den Jungen in die Bettdecke ein wie ein Kleinkind. »Aber die Scheidung hat denen wohl mehr ausgemacht, als ich dachte. Die waren doch auch noch klein. Und plötzlich war der Papa weg, und ich hatte auch kaum noch Zeit, weil ich mich um dich kümmern musste.« Sie lächelt und kneift ihm zärtlich in die Wange. »Du warst so ein süßes Baby!«, sagt sie. »Aber das war bestimmt nicht leicht für die beiden. Und später – da habe ich dann immer gearbeitet.« Sie seufzt. »Aber wenn ich geahnt hätte, dass sie dich dafür zum Sündenbock machen …« Sie schüttelt den Kopf. »Das nächste Mal musst du mir so was gleich erzählen, versprichst du mir das? Dann hätte ich doch viel früher mit den beiden geredet!« Sie gibt Olli einen Gute-nachtkuss. Gut, dass Erbse das nicht sehen kann, denkt der Junge insgeheim. Aber er genießt es, mal so richtig von seiner Mutter verhätschelt zu werden. Mit einem Lächeln auf den Lippen schläft er ein.
    Die Mutter steht am Küchenfenster. Sie zieht den Rauch der

Weitere Kostenlose Bücher