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Der Heilige Krieg

Der Heilige Krieg

Titel: Der Heilige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Gewaltexzessen.
    Die islamische Welt
    Der Machtbereich der Muslime war im 11. Jahrhundert aus europäischer Sicht immer noch weltumspannend. Das Imperium, das sich seit 635 unter Omar in so atemberaubender Geschwindigkeit ausgebreitet hatte, reichte von Spanien im Westen bis zum indischen Subkontinent im Osten – auch wenn sich untereinander verfeindete Herrscher immer wieder die Vorrangstellung streitig machten. Die muslimische Welt spaltete sich zu dieser Zeit insbesondere in drei rivalisierende Kalifate: Neben dem von Bagdad gab es das umayyadische im andalusischen Córdoba, in Kairo herrschten die schiitischen Fatimiden, die sich auf Fatima, die Tochter Mohammeds, und deren Ehemann Ali zurückführten. Gleichzeitig gewannen Turkvölker an Macht, allen voran die Seldschuken, die von Innerasien her, ungefähr aus dem Gebiet des heutigen Turkmenistan, nach Palästina und gegen Byzanz drängten und bald auch große Teile des Heiligen Landes beherrschten. Auch als die Kreuzritter sich Jerusalem näherten, kämpften in Palästina weiter Muslime gegen Muslime: So mussten die Fatimiden dort nicht nur die gerade von ihnen eroberte Heilige Stadt gegen die Christen verteidigen, sondern sich im Norden auch der seldschukischen Heere erwehren.

    »Die Überschrift über die Kreuzzüge, ›Deus lo vult‹, ›Gott will es‹, ist ein grandioses Missverständnis. Also den Willen Gottes auf eine politische und militärische Aktion zu beziehen, ist sicher etwas auch aus theologischen Gründen nicht Akzeptables. «
    Kardinal Reinhard Marx
    Urban aber malte ein Szenario größter Bedrohung, schwor seine Zuhörer auf die Mission zur Rettung und Befreiung des Heiligen Landes ein und auf die Hilfe für die orientalischen Christen. So entstand eine überaus kriegerische Stimmung. Teilnehmer an der Synode war auch Bischof Lambert von Arras, der ebenfalls Erinnerungen an die Rede von Clermont aufschrieb und schilderte, wie inbrünstig der Papst für das Unternehmen warb, auch, indem er den künftigen Kriegern im Zeichen des Kreuzes himmlischen Lohn verhieß. »Wer nur aus Frömmigkeit und nicht zur Erlangung von Ehre oder Geld zur Befreiung der Kirche Gottes nach Jerusalem aufbricht, dem soll die Reise auf jede Buße angerechnet werden. « Vergebung von Sündenstrafen war ein sehr wirkungsvolles Versprechen, wenn es darum ging, eine Streitmacht für ein derart gefährliches Unternehmen zu mobilisieren.
    »Deus lo vult« – »Gott will es«
    Mit großen Gesten, unter lauten Seufzern, Klagen und Tränen habe Urban die anwesenden Gläubigen beschworen. Er stilisierte den Weg ins Heilige Land zum Heil bringenden Bußgang für die ganze Christenheit: »Den Anwesenden sage ich es, den Abwesenden lasse ich es sagen, Christus aber befiehlt es.« So entstand jene historische Formel, die das künftige Kreuzzugsunternehmen begleiten sollte: »Deus lo vult!« – »Gott will es!« Der Herr selbst sei es, der zu diesem geheiligten Kampf aufrufe. Damit machte Papst Urban die kommende Mission über jeden Zweifel erhaben. Viele der Anwesenden sanken auf die Knie, beugten ihre Häupter, schlugen mit den Händen auf ihre Brust, beteuerten lauthals ihre Bereitschaft zum Aufbruch ins Heilige Land, ein Nerv der Begeisterung war getroffen.
Als sichtbares Zeichen ihres Eides hefteten sie sich ein Kreuz aus Stoffstreifen an ihre Mäntel.
    Warum aber eine solche Dramatisierung der Lage, warum die eindringlichen Beschwörungen, warum die Sakralisierung eines so gewagten Heerzugs? Ging es dem Papst wirklich nur um die Befreiung des Heiligen Landes und den Schutz der morgenländischen Christen? Der Historiker Klaus Schreiner vertritt die Meinung, dass »die Befreiung des Heiligen Grabes aus den Händen der Muslime« durchaus als eine »Identitätsfrage der abendländischen Christenheit« gesehen werden kann. Doch vor dem Hintergrund der damaligen historischen Kulisse taten sich noch weitere Motive auf. Europa war von inneren Zwistigkeiten und Fehden christlicher Kaiser, Könige und Fürsten zerrissen, die Kirche hatte als Ordnungsmacht an Bedeutung eingebüßt, der Klerus war immer wieder zwischen die Fronten geraten. Es musste im Interesse des Papstes liegen, die Streitsucht des europäischen Adels umzulenken – und zwar nach außen. Von Rom aus versuchten die Nachfolger Petri seit Jahrzenten, die Strukturen der Kirche zu reformieren, ihr eine straffere Ordnung zu geben, das geistliche Leben strengeren Regeln zu unterstellen. Papst Urbans Vorgänger Gregor VII.

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