Der Heilige Krieg
bewaffneten Pilgerfahrt nach Jerusalem auf. Auf dem Weg kam es zu Gewaltexzessen.
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Während des »wilden Kreuzzugs« im Frühjahr 1096 ziehen Kreuzfahrer unter Graf Ennicho von Leiningen plündernd und mordend durch die Judenviertel im Rheinland.
»Meiner Erkenntnis nach nahmen die meisten Leute an dem Kreuzzug teil, weil sie ihn für einen spirituellen Krieg hielten und glaubten, durch die Teilnahme ihre Seelen von Sünden reinwaschen zu können. Mit Sicherheit hat die meisten der Glaube geeint – quer durch alle Schichten. Die Religion hat sie angetrieben.«
Thomas Asbridge, Historiker
Ein Auftritt Peters von Amiens in Trier wurde von Tumulten und spontanen Ausschreitungen im jüdischen Viertel der Stadt begeitet. Durch die mittelalterlichen Gassen tobte ein zügelloser Mob, es kam zu einer Menschenjagd: Türen wurden eingeschlagen, Juden aus den Häusern gezerrt und umgebracht. Auch in Metz, Worms und Mainz verübte eine aufgepeitschte Menge Pogrome und Massaker, angetrieben durch Habgier und religiösen Eifer.
Hatten die Prediger nicht Erlösung verheißen, wenn die Feinde des Christentums bekämpft werden? Dazu zählten nicht nur die Muslime in der Ferne, sondern auch die europäischen Juden. Eigentlich standen sie im römisch-deutschen Reich unter dem Schutz des Kaisers, der von ihnen dafür Steuern nahm. Aber der damalige König Heinrich IV. hielt sich im Frühjahr 1096 in Italien auf, konnte nicht eingreifen. Auch Papst Urban II. war nicht mehr Herr der Lage. Manche Bischöfe versuchten, Ausschreitungen zu verhindern, doch vergeblich. Bis zu 5000 Menschen sollen den Pogromen des Jahres 1096 zum Opfer gefallen sein.
Es waren vor allem diese marodierenden Horden, die das historische Bild vom Beginn der Kreuzzüge vor allem im 20. Jahrhundert prägten. Doch der sogenannte Volkskreuzzug war auch ein selbstmörderisches Unternehmen. Kaum jemand, der daran teilnahm, sollte das Heilige Land jemals erreichen. Vielen lauerte der Tod am Wegesrand auf: Hunger, Krankheit, Erschöpfung. Andere starben bei Kämpfen oder endeten als Sklaven. Diese Truppen wurden schon auf dem Balkan dezimiert und waren für die Seldschuken kein ernst zu nehmender Gegner. In Kleinasien, bei Nikäa, wurde der Zug der Armen endgültig aufgerieben.
Aufbruch nach Jerusalem
Umso mehr lag dem Klerus und dem hohen Adel daran, ihre bewaffnete Pilgerfahrt gründlich vorzubereiten, »… nach Verpachtung ihrer Eigentümer und nach Beschaffung des nötigen Reisegeldes« sollten sie, »wenn der Winter weicht und der Frühling folgt, unter der Führung des Herrn die Fahrt antreten«, so hatte es Papst Urban gewollt. Planung und Organisation dauerten Monate. Bischöfe, Fürsten und Herzöge sollten den Zug nach Palästina anführen. Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen (heute Belgien), war einer von ihnen. Bis dahin hatte er sich alles andere als papsttreu verhalten und sich in den Machtkämpfen zwischen Papst und Kaiser im Investiturstreit der Seite des Monarchen zugewandt. Weltlichen Verlockungen war er keineswegs abgeneigt. Doch auch ihn plagten Zweifel in jener spirituell so aufgewühlten Zeit. Gottfried war beeindruckt vom Geist, der von den Klöstern ausging – waren sie doch Orte religiöser Erneuerung und der Besinnung in jener Epoche, in der manche das Ende der Welt erwarteten und das Kommen des Herrn. Der Dienst im Waffenrock stehe dem Dienen in einem Orden in nichts nach, hieß es. Dem Ruf Urbans, ins Heilige Land aufzubrechen, wollte Gottfried Folge leisten. Er veräußerte seine gesamten Besitztümer. Seine Stammburg verpfändete er dem Bischof von Lüttich für 1300 Silbermark. Im Falle der Rückkehr konnte er sie wieder erwerben. Zwei seiner Brüder schlossen sich Gottfried an: Eustach und Balduin. Auch sie trugen das gemeinsame Zeichen der Palästinafahrer: das Kreuz von Jerusalem. Die drei Brüder wussten, dass es womöglich ein Weg ohne Wiederkehr werden würde.
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Gottfried von Bouillon verpfändete seine Burg, um am Kreuzzug teilzunehmen.
Immer wieder wurde über Beweggründe spekuliert, ob die Kreuzfahrer nicht in erster Linie Machtgewinn und Bereicherung im Sinn hatten. Im einen oder anderen Fall mag das so gewesen sein. Aber im Selbstverständnis der Zeit war das eher die Ausnahme. Für viele bedeutete der Aufbruch nach Palästina die Heimat, das eigene Land, die Familie, auch Besitz ungeschützt zurückzulassen und das Leben zu riskieren. Den meisten ging es wohl wirklich in erster Linie
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