Der Heilige Krieg
sich von Alexios um ihre Kriegsbeute betrogen; diese Lektion würden sie nicht vergessen auf ihrem weiteren Weg nach Jerusalem.
In Kleinasien, auf dem Boden der heutigen Türkei, leisteten die Muslime Widerstand. Die bewaffnete Pilgerfahrt forderte immer mehr Menschenleben. Schon bei Doryläum in Anatolien hätte das gesamte Unternehmen 1097 scheitern können. Dort griff Kilidsch Arslan, der das Heer der Rum-Seldschuken anführte, aus dem Hinterhalt an. Der muslimische Herrscher verfügte über 50 000 hervorragend bewaffnete Krieger.
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Einen Monat lang belagerten die Kreuzfahrer mit Unterstützung der Byzantiner die von Seldschuken verteidigte Stadt Nikäa.
Bohemund von Tarent und seine normannische Streitmacht, die getrennt von anderen Teilen des Heerzugs marschierte, wurden am Morgen des 1. Juli 1097 in ihrem Feldlager von den Muslimen überrascht, die Gegner hatten sie umzingelt. Bohemund befahl seinen Rittern, einen
Verteidigungsring um das Lager zu bilden. Seine mit Kettenhemd, Helm, Schwert und Schild ausgerüsteten Kämpfer bildeten einen Menschenwall gegen die taktisch versierten Angreifer. Die Seldschuken vermieden den Nahkampf, ihre berittenen Bogenschützen näherten sich, feuerten ihre Pfeile ab und zogen sich dann ebenso rasch wieder zurück. Besonders stabile Bögen, die man nur im Liegen mit den Beinen spannen konnte, wurden auf eine Distanz von mehreren hundert Metern eingesetzt. Die Kräfte der Kreuzfahrer sollten dezimiert werden, bevor der Sturmangriff begann. Die Lage der Eingekesselten erschien hoffnungslos. 4000 Mann starben binnen kurzer Zeit, ein Fünftel der Streitmacht Bohemunds. Doch er hatte noch rechtzeitig Boten zu den anderen Kreuzfahrergruppen senden können, so galt es vor allem, Zeit zu gewinnen.
Die Seldschuken
Das Turkvolk, von den Mongolen verdrängt, aufgebrochen aus Mittelasien unter dem Namen ihres Ahnherrn Seldschuk, beherrschte den Norden und den Osten der islamischen Welt. Auf die siegreiche Schlacht von Mantzikert gegen die Byzantiner (1071) folgte die Gründung des Seldschukenreichs von »Rum«. Es war dem Reich der Großseldschuken nach Westen hin vorgelagert. »Rum« stand für»Rom«, denn die Sultane sahen ihr Reich in der Nachfolge des oströmischen beziehungsweise byzantinischen. Hauptstadt war Ikonion (Konya). Das Turkvolk war die aufsteigende Kraft in der Welt der Muslime. Sie beherrschten nahezu ganz Kleinasien sowie große Teile Syriens und Palästinas. Den Kalifen von Bagdad akzeptierten die Seldschuken zwar als religiöses Oberhaupt, nicht aber als politischen Führer. Mit dem fatimidischen Kalifat von Kairo lieferten sie sich erbitterte Kämpfe um die Vorherrschaft im Nahen Osten und Jerusalem: ein Umstand, der den Vorstoß der Christen erleichtern sollte.
Gegen Mittag trafen Gottfried von Bouillon und Raimund von Toulouse mit einer großen Reiterschar ein und sprengten die Umzingelung. Bischof Adhemar führte gleichzeitig einen Angriff gegen das Lager der Seldschuken, woraufhin Kilidsch Arslan einen Teil seiner Streitmacht abzog, um
es zu schützen. Von den anderen muslimischen Kämpfern wurde dies als Zeichen zum Rückzug verstanden. Ihre Linien brachen auf. Ohne dieses Missverständnis hätte die Schlacht bei Doryläum das Schicksal des ersten Kreuzzugs besiegeln können. Gottfried von Bouillon und Raimund von Toulouse hatten das Blatt gewendet, die drohende Katastrophe wandelte sich zu einem Triumph des christlichen Heeres. Der bei seinen Mitstreitern beliebte und geachtete Heerführer setzte auf dem weiteren Weg Zeichen des Dankes: Gottfried ließ am Wegesrand hölzerne Kreuze aufstellen, um den künftigen Pilgern die Richtung ins Heilige Land zu weisen.
Um weiteren Hinterhalten zu entgehen, änderten die Kreuzfahrer immer wieder ihre Route, nahmen dafür aber schwierigere Strecken in Kauf. Glühende Hitze und erbarmungslose Trockenheit setzten den »bewaffneten Pilgern« zu, immer mehr Männer und Frauen starben an Hunger, Krankheiten und Erschöpfung.
Auf dem Weg nach Jerusalem lagen auch Städte, die zwar von Muslimen bedrängt, aber immer noch von Christen gehalten wurden; zu ihnen zählte Edessa. Balduin von Boulogne versprach den Verteidigern zunächst Hilfe gegen die Seldschuken, doch als Preis dafür beanspruchte er die Herrschaft über die Stadt, die durch Gewürz- und Textilhandel reich geworden war. Balduin gewährte der Bevölkerung militärischen Schutz, ließ sich aber von Theodorus, dem Regenten der Stadt, adoptieren und zum
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