Der Heilige Krieg
Hitler. Hier während eines Treffens im Dezember 1941 in Berlin.
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Der Jude Max von Oppenheim blieb von den Nazis unbehelligt. Foto von 1939.
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T. E. Lawrence als Angehöriger der Royal Air Force (Bild von 1922).
Aus heutiger Sicht scheinen die Ereignisse von damals weit entrückt, die handelnden Personen eher einem Roman zu entspringen als der Realität. Aber ein Blick auf die Landkarte des Nahen Ostens belehrt eines Besseren. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der moderne Nahe Osten geschaffen, wurden die Grundlagen für Probleme geschaffen, die bis heute ungelöst sind und diese Weltregion nicht zur Ruhe kommen lassen. Das ist das Erbe jener Epoche und ihrer Protagonisten.
Auch wenn Oppenheims Konzept eines weltweiten Dschihad gegen die Kolonialmächte nicht aufgegangen war, so hatte die antikoloniale Interpretation des alten Begriffs doch eine Wirkung bis heute. Schon damals ging es nicht mehr um das utopische Ziel einer Islamisierung der ganzen Welt. Der Mahdi und andere Rebellen riefen Heilige Kriege zur Befreiung von der Fremdherrschaft aus. Auch die Dschihadisten von heute kämpfen
für konkrete politische Ziele: etwa die Vertreibung amerikanischer Streitkräfte aus islamischen Ländern oder gar die Vernichtung des Staates Israel. Man biegt sich den »Heiligen Krieg« so zurecht, wie man ihn braucht. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der religiöse Anstrich des Kampfes nur dazu dient, rein politische Ziele zu bemänteln und nicht zuletzt neue Kämpfer zu rekrutieren. Für die Befreiung eines Landes sprengt sich niemand ohne Weiteres selbst in die Luft. Die Erlangung des Paradieses ist dagegen schon eher ein Ziel, für das zu sterben sich lohnt.
Terror für den Glauben
Die schwärzeste Stunde der USA
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Ein Video von Al-Qaida: Bin Laden berichtet, wie er den Tag der Anschläge erlebte.
In den Bergen Ostafghanistans wartete der Auftraggeber an diesem Nachmittag auf die Erfolgsmeldung. Als die Sonne tief über den Berggipfeln stand, zog sich Osama bin Laden mit einigen Kampfgefährten in seine Wohnhöhle zurück – und er kündigte ihnen an, dass sie bald Zeugen von etwas Großartigem werden würden. Gespannt ließen sich die Männer auf Teppichen und Sitzkissen nieder; im Halbdunkel der Höhle lauschten sie den arabischsprachigen Nachrichten des BBC World Service. Auch in der Abgeschiedenheit der Weißen Berge, bei Dschadschi, im Grenzgebiet zu Pakistan, ermöglichte moderne Satellitentechnik den Empfang des britischen Nachrichtensenders. Die ersten Meldungen um 17.30 Uhr afghanischer Ortszeit waren an diesem 11. September 2001 von keinem großen Interesse für die versammelten Al-Qaida-Führer. Doch dann berichtete der Rundfunksprecher über einen Vorfall in New York – wenige Minuten zuvor, so verkündete die Stimme sachlich, sei ein Flugzeug in den Südturm des World Trade Centers eingeschlagen. Osama bin Laden lächelte – er schien keineswegs überrascht von dieser Meldung. Und den Männern, die um ihn herumsaßen, dämmerte nun, warum er sie zusammengerufen hatte. Dies war seine große Stunde – und es sollte die schwärzeste Stunde in der Geschichte der Stadt New York werden. Der Zeitunterschied zwischen New York und Afghanistan beträgt neuneinhalb Stunden; in der Stadt am Hudson River war es gerade erst 9 Uhr. Kurz zuvor, um 8.46 Uhr, war ein Jet der US-Fluglinie American Airlines in das World Trade
Center gerast. Gelenkt hatte die Maschine Mohammed Atta – ein Selbstmordattentäter, der seine Befehle von Osama bin Laden erhalten hatte. Attas Auftraggeber im fernen Afghanistan zelebrierte schon wenige Minuten nach dem Anschlag seinen Triumph. Als die Riege der Al-Qaida-Kämpfer erkannte, dass ihr Anführer der Urheber der Katastrophe in New York war, brachen sie in Jubel aus. Rufe hallten durch die Höhle: »Allahu akbar« – »Gedankt sei Gott!« Doch Bin Laden mahnte sie zur Ruhe. »Habt Geduld«, sagte er, während er einen Finger in die Höhe hielt. Dann meldete die Stimme im Radio, dass in New York ein weiteres Flugzeug in das World Trade Center eingeschlagen sei. Um 9.03 Uhr war United Flug 11 in den Nordturm gerast. Gut 5000 Kilometer davon entfernt hielt nun Osama bin Laden einen zweiten Finger in die Höhe. Für seine Männer gab es jetzt kein Halten mehr – lautstark priesen sie den Herrn, der diesen Schlag gegen das verhasste Amerika zugelassen hatte. »Wartet doch ab!«, mahnte Osama bin Laden seine Männer erneut. Er wusste, dass der Tag des Terrors
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