Der Heilige Krieg
Habsburgerreich geborene Alois Musil war ein Cousin des berühmten Schriftstellers Robert Musil. Unter den Abenteurern, die während des Ersten Weltkriegs an der arabischen Front kämpften, war er einer der ungewöhnlichsten. Musil hatte katholische Theologie studiert und war 1891 zum Priester geweiht worden. Aber seine Leidenschaft galt dem Orient. Er bereiste Palästina und das heutige Jordanien und verfasste bedeutende Werke, zum Beispiel über Petra und Bauwerke aus der Epoche der Umayyaden. Der polyglotte Gelehrte, der Arbeiten in deutscher, tschechischer und arabischer Sprache verfasste, unterhielt beste Beziehungen zum Kaiserhof in Wien. Nach Kriegsausbruch geriet er mehr und mehr in den Status eines Geheimdiplomaten. Seine genauen Kenntnisse der arabischen Sprache und Mentalität, nicht zuletzt aber die freundschaftlichen Bande, die er während seiner langen Orientaufenthalte zu arabischen Stammesführern geknüpft hatte, waren jetzt von großem Nutzen. Vor allem nachdem die Familie des Emirs von Mekka zur britischen Seite übergewechselt war, galt es, eine Ausweitung des arabischen Aufstands nach Norden zu verhindern. Hier kamen die Kontakte Musils zum Tragen. 1917 machte er sich auf den Weg ins heutige Syrien und Jordanien und nahm Kontakt zu arabischen Stammesführern auf.
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Seinen Aktivitäten war es zu verdanken, dass die nordarabischen Stämme sich ruhig verhielten. Sein Engagement machte Alois Musil für kurze Zeit tatsächlich zum direkten Gegenspieler von T. E. Lawrence. Aber seine Bemühungen waren für den Kriegsverlauf nicht entscheidend. Die militärische Übermacht der Briten gab am Ende den Ausschlag. Nach dem Krieg lehrte Musil als Professor für Orientalistik an der Universität Prag. Er starb 1944.
Lawrence versuchte zwar noch als Berater Faisals, Einfluss auf die Verhandlungen zu nehmen, aber er scheiterte. Die Sieger setzten die im Sykes-Picot-Abkommen getroffenen Vereinbarungen rücksichtslos durch. Franzosen und Briten verfuhren mit der Konkursmasse des Osmanischen Reiches ganz im Stil alter kolonialer Politik und schufen mit ein paar Federstrichen die Landkarte des Nahen Ostens, so wie sie im Großen und Ganzen noch heute existiert.
Die Alliierten fanden eine von wirtschaftlichen Interessen diktierte Brachiallösung, welche die Belange der Menschen in der Region völlig außer Acht ließ. So ist etwa der Verlauf der irakischen Grenze zu Syrien und Jordanien in erster Linie den Ölfeldern von Mossul und einer schon damals existierenden Pipeline zu verdanken, auf die Großbritannien Anspruch erhob. Was damals entstand, waren Kunstgebilde, Staaten, in denen man Menschen unterschiedlicher Traditionen zusammenwürfelte. Die Bedürfnisse eines großen Volkes wie der Kurden übersah man komplett, beziehungsweise man wollte sie nicht wahrhaben. Der heutige Libanon und Syrien wurden französische Einflusszone, für den Irak und Jordanien übernahmen die Briten das Mandat.
»Wäre ich ein aufrichtiger Berater der Araber gewesen, dann hätte ich ihnen geraten, nach Hause zu gehen.… Ich riskierte den Betrug aufgrund meiner Überzeugung, daß für einen leichten und schnellen Sieg im Osten arabische Hilfe notwendig war und daß es besser wäre, wir würden gewinnen und unser Wort brechen als verlieren.«
T. E. Lawrence, Die sieben
Säulen der Weisheit
Einen Sonderfall bildete Palästina. In London hatte man nicht nur den Arabern großzügige Versprechungen gemacht, sondern auch den Juden. 1917 hielt die zionistische Bewegung erstmals in ihrer Geschichte ein Dokument in der Hand, das über vage Sympathiekundgebungen hinausging. Die Vision einer jüdischen Nation in Palästina hatte in dem britischen Außenminister Lord Arthur James Balfour einen Förderer und Fürsprecher gefunden. Wenige Wochen vor der Eroberung Jerusalems gab er in einem Brief an Lord Lionel Walter Rothschild, einen prominenten Vertreter der Zionisten, eine Erklärung ab: »Die Regierung Seiner Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina und wird ihr Bestes tun, die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern.« Die berühmte »Balfour-Deklaration« war der erste konkrete Schritt zur Schaffung eines jüdischen Staates in Palästina. Um die Einwanderung von Juden zu ermöglichen, übernahm das Empire ein Protektorat über das Gebiet, auf dem die jüdische Nation entstehen sollte.
Die Siegermächte Großbritannien und Frankreich setzten die im
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