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Der Heilige Krieg

Der Heilige Krieg

Titel: Der Heilige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Anhänger befürworteten deswegen einen Bruch mit der Gesellschaft – sie forderten Fundamentalopposition. Qutb sah sich und seine Gefolgschaft als Avantgarde, als Elite – und er
nahm sich in der Tradition des Propheten Mohammed wahr. Gemeinsam mit seinen Anhängern hatte dieser 622 mit den Bewohnern Mekkas gebrochen, weil diese Götzen verehrten. Mohammed war nach Medina gezogen, um eine islamische Gemeinschaft zu gründen. Davon inspiriert, entwarf Qutb ein radikales Aktionsprogramm: Die Avantgarde der »wahren Gläubigen« hatte mit dem gottlosen Staat zu brechen und diesen zu vernichten. Genau das war das Programm des »modernen Dschihad«. Dieses revolutionäre Programm brachte den Intellektuellen Sayyid Qutb ins Gefängnis. 1966 ließ Nasser ihn zum Tode verurteilen und hinrichten. Die militante islamistische Bewegung hatte in Qutb einen ersten Märtyrer gefunden. Fortan wurden seine Schriften in fundamentalistischen Kreisen zur Standardlektüre. Ende der siebziger Jahre prägten diese Grundlagenwerke des militanten Islamismus auch das Denken des saudischen Studenten Osama bin Laden.
     
    Doch der ultrareligiös orientierte Bin Laden hatte ein weiteres Erweckungserlebnis. An der Universität Dschidda traf er auf einen Star der militant-fundamentalistischen Szene, Professor Abdallah Azzam. Diese Begegnung sollte Osama bin Ladens Denken entscheidend prägen. Azzam, ein Intellektueller und Religionsgelehrter, war Vordenker und Verfechter des modernen Dschihad und wurde zur geistigen Vaterfigur Bin Ladens. Azzam forderte in seinen Schriften und Vorlesungen alle Muslime auf, im Dschihad für ein Wiedererstarken der islamischen Welt zu kämpfen. Alle Länder, die einmal islamisch gewesen waren, sollten für den Glauben zurückerobert werden. Das oberste Ziel war die Wiederherstellung des Kalifats – die Vereinigung aller Gläubigen der Welt unter einem Herrscher. Der Professor war gleichzeitig ein Aktivist und verkündete stolz sein Motto: »Dschihad und das Gewehr, sonst nichts: keine Verhandlungen, keine Konferenzen, keine Dialoge.«
    Die Radikalität Azzams ist eng verflochten mit seiner Vita. 1941 in Palästina geboren, entwickelte er schon in jungen Jahren einen leidenschaftlichen Hass auf Israel. Der Krieg um die Gründung des jüdischen Staates hatte 1948 unzählige Palästinenser in die Flucht getrieben. Fast alle lehnten die UN-Kompromisse ab, die den Palästinensern in ihren verbliebenen Gebieten eine Staatsgründung ermöglicht hätten. 1948 war kein Araber bereit, die – durchaus realisierbare – Zweistaatenlösung zu akzeptieren. Die Palästinenser wollten ihr gesamtes Land zurück und den »Fremdkörper« Israel gewaltsam beseitigen. Azzam verbrachte seine Jugendjahre im palästinensischen Westjordanland, das unter jordanischer Verwaltung stand. Für ihn und unzählige andere Araber spitzte sich der Konflikt 1967 weiter zu.

    Bild 231
    Der Vordenker des modernen Dschihadismus, Sayyid Qutb (rechts), wird 1967 in Ägypten zum Tode verurteilt.
    Bild 188
    Abdallah Azzam, der in Dschidda predigte, dass es die Pflicht guter Muslime sei, in den »defensiven Dschihad« zu ziehen.
    Der Sechstagekrieg als Wendepunkt
    Am 5. Juni 1967 griffen israelische Kampfjets ägyptische Luftwaffenbasen an und zerstörten die Luftwaffe des großen Nachbarn weitgehend am Boden. Zeitgleich rollten israelische Panzerkolonnen in den ägyptischen Sinai ein. Der Angriff der Israelis galt als Präventivschlag. Zuvor hatte sich die kriegerische Rhetorik des ägyptischen Führers Nasser stetig gesteigert; im Sinai, an der Grenze zu Israel, hatte er seine Panzerdivisionen in Stellung gebracht. Nach dem Überraschungscoup durch die Israelis griffen Syrer und Jordanier Israels Grenzen an, wurden aber schnell zurückgeschlagen. Nur sechs Tage brauchte die israelische Armee, um alle umgebenden arabischen Staaten zu besiegen – eine demütigende Niederlage für jene Araber, welche vollmundig angekündigt hatten, »die Juden zurück ins Meer zu jagen«. Im Verlauf der Kämpfe waren israelische Truppen auch in die Teile Jerusalems eingedrungen, die bis dahin unter jordanischer Verwaltung gestanden hatten. Im israelisch eroberten Teil lag auch die Klagemauer – ein Symbolort für jeden gläubigen Juden. Doch diese Klagemauer begrenzt den Tempelberg, auf dem sich die Al-Aqsa-Moschee und der Felsendom mit seiner goldenen Kuppel befinden. Und der ist einer der wichtigsten Symbolorte für Muslime in aller Welt. Der militärische Triumph der

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