Der Heilige Krieg
seiner Mutter und einer US-Journalistin ein Buch über Osama bin Laden veröffentlichte. Aus seinen Schilderungen wird deutlich, dass sein Vater auch in Saudi-Arabien eine Ausnahmeerscheinung war. Das Familienleben war von strengen Regeln bestimmt – trotz des Reichtums wollte der Vater ein karges Leben führen. Moderne Technik – etwa ein Kühlschrank – war tabu im Hause Bin Laden, die Kinder durften keine Spielzeuge besitzen. All das, so beschied er seine Familie, sei einem Leben im wahren Glauben abträglich. »Er war kein Mann, der Gefühle zeigte«, erinnert sich Omar, der sich zunehmend zu einem wilden Kind entwickelte. »Nichts weckte väterliche Wärme in ihm. Mein provokantes Verhalten führte dazu, dass der Rohrstock zu seinem Markenzeichen wurde. Er begann, mich und meine Brüder beim geringsten Vergehen mit dem Stock zu züchtigen.« Osama bin Laden war ein Fundamentalist reinsten Wassers, ein sogenannter »Salafist«. Anhänger dieser Lehre richteten ihr ganzes Leben an den Altvordern aus und lebten so, wie vermeintlich zu Zeiten des Propheten gelebt wurde – im 7. Jahrhundert. Damals hatte es keine moderne Medizin gegeben, also brauchten auch Osamas Kinder keine. Omar war Asthmatiker – aber ein Inhalator war ihm verboten. »Keiner von uns kannte noch jemanden, der so strenge Verhaltensregeln wie unser Vater aufstellte«, schreibt Omar. Schließlich waren die Kinder froh, monatelang mit der großzügigen und milden Mutter allein zu sein. Sie begrüßten es, wenn ihr Vater immer mehr Zeit in Afghanistan verbrachte, an der Front des Heiligen Krieges. Trotz allem liebten Frau und Kinder den strenggläubigen Fanatiker – einen Mann, der auch im extrem konservativen Saudi-Arabien eine Ausnahme war.
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Viele Afghanen fliehen während des Krieges gegen die Sowjets nach Pakistan und warten in Flüchtlingslagern auf Hilfe.
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Die Kinder Osama bin Ladens in ihrem Haus in Dschidda während der 1980er-Jahre. Der Junge mit dem Ball ist Omar.
Im pakistanischen Peschawar gab es Anfang der achtziger Jahre viel zu tun. Wer den Afghanen helfen wollte, war hier richtig. Hunderttausende von Flüchtlingen hofften auf Zelte, Brot und Spenden. Die Kämpfer jenseits der Grenze warteten auf Waffen, Nachschub und Geld. Der junge Osama bin Laden wusste, dass er hier gebraucht wurde – auch als Privatmann konnte er nun den Dschihad gegen die Sowjets unterstützen. Ein ehrenhaftes Unterfangen für jeden Saudi, schließlich tat man genau das, was auch die eigene Regierung tat – schleuste doch der saudische Geheimdienst
in Zusammenarbeit mit amerikanischen und pakistanischen Agenten Waffen und immense Finanzmittel nach Afghanistan. Bin Laden tat seinen Teil, doch noch immer stand er im Schatten des Übervaters Abdallah Azzam. »Diejenigen, die Azzam und Bin Laden aus dieser Zeit kennen, fanden Azzam eloquent und charismatisch, während Bin Laden, der damals Mitte zwanzig war, einen aufrichtigen und ehrlichen Eindruck machte, aber nicht als Führungspersönlichkeit vorstellbar war«, schreibt der britische Journalist Peter Bergen in seinem Buch Heiliger Krieg Inc.
Saudi-Arabien: Exporteur von Öl und Fundamentalimus
Die in Saudi-Arabien herrschenden Sunniten sind Hardliner und sehen den dort praktizierten wahhabitischen Glauben als einzig legitime Form des Islam an. Besonders seit 1979 bemühte sich das saudische Königshaus verstärkt, ein Gegengewicht zum schiitisch-revolutionären »Gottesstaat« Iran zu bilden. Die Öleinnahmen in Saudi-Arabien waren nach der Ölkrise von 1973 förmlich explodiert. Nach dem »Jom-Kippur-Krieg« der Araber gegen Israel hatten die Öl exportierenden Staaten die Ölzufuhr für den Westen künstlich verknappt; der Preis war in den siebziger Jahren in die Höhe geschossen. Die Petrodollars füllten die Staatskasse der Saudis – und die traten schon in den siebziger Jahren weltweit als Geldgeber auf, um die Sache des sunnitisch-fundamentalistischen Islam zu fördern. Überall unterstützten sie fundamentalistische Bewegungen und spendeten großzügig für die Gründung von Koranschulen. Eines der Länder, das vom saudischen Geldsegen besonders profitierte, war Pakistan. Der Islam, der in Pakistan zuvor praktiziert worden war, galt als eher liberal. Doch unter dem seit 1977 herrschenden Militärdiktator Zia ul-Haq schossen überall »Medresen« aus dem Boden, zum Teil von den Saudis finanzierte Koranschulen, in denen Jugendliche die Glaubenslehren saudischer Lesart
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