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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Berger
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und besonders die traditionalistische Morallehre im politischen Bereich durchzusetzen.
    Dies geschieht, wie gesagt, durch Vorfeldorganisationen, in Deutschland etwa das »Herz-Jesu-Apostolat« oder die Aktion »Wundertätige Medaille«. Über diese Organisationen werden vor allem Spendengelder akquiriert. Weitaus kämpferischer gibt man sich in den Vorfeldorganisationen »Aktion SOS Leben« (gegen Abtreibung und Sittenverfall) sowie »Kinder in Gefahr« (Kampf gegen Sexualaufklärung in den Schulen, Homo-Ehe usw.). Auch zur ultrakonservativen Internetseite kathnews.de, die nach eigenen Angaben wiederum mit Radio Vatikan zusammenarbeitet, bestehen eindeutige personelle Verbindungen.
    Mit zu den wichtigsten Vorfeldaktivitäten zählt bei der TFP auch die alte, traditionalistische Liturgie. In persönlichen Gesprächen räumen Mitglieder der Organisation ein, sie sei »für die Anfangsbegeisterung gerade der jüngeren Mitglieder« unverzichtbar. Inzwischen erfreut sich die TFP, vor der verschiedene Bischofskonferenzen und Ordinariate früher immer wieder warnten, höchster Unterstützung. So bot etwa im Mai 2010 Abt Josef Vollberg , Chef der Trappistenabtei Mariawald, den deutschen Mitgliedern der TFP ein von ihm in der Stiftskirche St. Paulin in Trier zelebriertes Hochamt im alten Ritus und schuf ihnen so eine Werbebühne. Sie durften dort mit ihren Kostümen und Fahnen auftreten, in feierlicher Prozession durch das Kirchenschiff ziehen und im Chorraum Platz nehmen. Zuvor hatte Papst Benedikt dem Abt höchstpersönlich die Erlaubnis erteilt, in seiner ganzen Abtei wieder die alte Liturgie einzuführen. In der Presseerklärung des Abtes heißt es dazu: »Das Reformprojekt in Mariawald und die diesbezügliche Bitte des Abtes kann als eine Frucht der Bemühungen Papst Benedikts XVI. um die Erneuerung der Kirche im Geist der Tradition angesehen werden.« [9]
    Ganz im Sinne der beschriebenen Taktik wirbt man nicht nur bei der TFP, sondern auch sonst im traditionalistischen Katholizismus mit der schönen alten Messe. Und der Honig wirkt. Das Fass voll Essig, also die schweren Geschütze - Kampf gegen die Religionsfreiheit und für den Katholizismus als Staatsreligion, Plädoyer für die Todesstrafe - werden erst aufgefahren, wenn man die Gläubigen bereits an sich gebunden hat. Dann wird ihnen klargemacht, dass sie sich mit dem schönen Herz-Jesu-Paket und dem angenehmen Weihrauchduft zugleich ein sektiererisch-ideologisches, antidemokratisches und antimodernes Programm ins Haus geholt haben.
    Für zahlreiche junge Leute, die ich in den letzten zwanzig Jahren kennengelernt habe, war die traditionelle Liturgie tatsächlich eine Art »Einstiegsdroge«. Die Welt, in die sie dabei gerieten, machte aus unverbildeten und aufgeschlossenen Menschen Religionsfanatiker; die einem katholischen Gottesstaat das Wort redeten, für dessen Entstehung man notfalls Gewalt anwenden müsse. Die sich auch nicht scheuten, mit rechtsradikalen Schlägertrupps Allianzen einzugehen. Die heirateten, nur um der »katholischen Tradition« möglichst viel Nachwuchs zu schenken. Die es angemessen und gut katholisch fanden, ihre Kinder auf Schulen und Ferienfreizeiten zu schicken, wo man Texte von Kirchenliedern zur Melodie des Horst-Wessel-Liedes sang und Prügelstrafen als normale Disziplinarmaßnahme ansah.
    Gerade die Anhänger der Piusbruderschaft und der aus ihr hervorgegangenen Gruppierungen sind in Gefahr, über ihre Liebe zur klassischen Liturgie zugleich in rechtsradikale Kreise abzudriften. Ein gutes Beispiel für die Vermengung von feierlichen Handlungen katholischer Liturgie und rechtem Gedankengut bot der französische Traditionalisten-Geistliche Philippe Laguerie. Laguerie begann seine Karriere als Piusbruder, der dem rechtsextremen französischen Politiker Le Pen nahestand. In der Öffentlichkeit wurde er dadurch bekannt, dass er sich immer wieder über den vermeintlich fatalen Einfluss des jüdischen Großkapitals echauffierte und die Thesen englischer Holocaustleugner als wissenschaftlich belegt verteidigte. 1996 zelebrierte er ein feierliches Requiem für den verurteilten Kriegsverbrecher und Nazi-Kollaborateur Paul Touvier, den die Piusbruderschaft zuvor lange Zeit in ihrem Priorat in Nizza versteckt und so vor der Vollstreckung des Urteils bewahrt hatte. Umso erstaunlicher ist es, dass die Öffentlichkeit kaum Notiz von der Tatsache nahm, dass Papst Benedikt XVI. Laguerie - ohne dass ein Widerruf seiner rechtsradikalen Thesen erfolgt

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