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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Berger
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für eine Doppelmoral auf mehreren Ebenen haben: auf der einen Seite die traditionelle Liturgie, die von Kreisen propagiert wird, in denen die Homophobie zum guten Ton gehört, auf der anderen Seite die Tatsache, dass diese Liturgie ganz wesentlich als Produkt homosexueller Sublimierung gelten kann und dadurch auf homosexuelle Priester wie Laien eine starke Anziehungskraft ausübt.
    Ein weiterer Aspekt, der diese Doppelgesichtigkeit gar zur Dreigesichtigkeit werden lässt, darf nicht unerwähnt bleiben. Immer wieder ist mir in Gesprächen mit Meinungsführern der traditionalistischen Katholiken sowohl in Deutschland als auch in Rom deutlich geworden, dass zwar die ästhetische Form der klassischen Liturgie in öffentlichen Diskussionen in den Vordergrund gerückt wird. Geheimnisvolles Mantra, Weihrauchwolken, gregorianische Gesänge - das tut keinem weh und kommt gut an in Zeiten postmoderner Freude an allem Esoterischen, zumal in intellektuellen Kreisen. Ein durch Ästheten wie Martin Mosebach vornehm parfümierter Traditionalismus ist inzwischen wieder salonfähig.
    Sobald man aber, wie ich es getan habe, tiefer in das Milieu des traditionellen Katholizismus eintritt, erkennt man, dass dies zumeist auch aus taktischen Gründen geschieht, um möglichst viele neue Anhänger für die Bewegung zu gewinnen. Mehrmals habe ich in diesem Zusammenhang von traditionalistischen Priestern das Zitat von Don Bosco gehört: »Mit einem Tropfen Honig fängt man mehr Fliegen als mit einem Fass voll Essig!«
    Der in Frankreich lebende Arzt Wolfgang Lindemann, einer der besonders umtriebigen Ideengeber der Bewegung, entwarf ein eigenes Missionierungsprogramm für katholische Traditionalisten, das nicht nur die Terminologie, sondern auch die Strategien von US- und südamerikanischen Sekten aus dem protestantisch-charismatischen Bereich übernimmt.
    Lindemann ist Sympathisant der erzkatholischen »Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum« (TFP). Die weithin im Stil des Opus Dei agierende Organisation wurde 1932 von dem brasilianischen Rechtsaußen-Politiker Plinio Correa de Oliveira gegründet, mit Unterstützung der katholischen Kirche. Obwohl der Sektenbericht der französischen Regierung ausdrücklich vor der Gruppierung warnt und sich auch einige deutsche Diözesen von deren Tochterorganisationen klar distanziert haben, wird die TFP bis zur Stunde von hohen Kirchenfürsten explizit gefördert. So schrieb im Februar 2007 kein Geringerer als der im Vatikan äußerst einflussreiche Kardinal Medina Estévez , der nicht nur viele Jahre dem chilenischen Diktator Pinochet nahestand sowie die Demokratie als unchristlich ablehnt, sondern auch 2005 als Kardinalprotodiakon die Ehre hatte, die Wahl Joseph Ratzingers zum Papst öffentlich zu verkündigen und ihm das Pallium zu überreichen, an das Leitungsgremium der global agierenden Vereinigung der TFP: »So ermutige ich Sie von ganzem Herzen, Ihre Arbeit zur Verteidigung der Tradition, der Familie und des Privateigentums fortzusetzen sowie zum Schutz der übrigen christlichen und katholischen Grundsätze, die das Fundament jedes echten Humanismus bilden.« [7]
    Aufgrund ihres stark missionarischen Charakters verbreitete sich die TFP schnell über mehr als sechsundzwanzig Länder auf allen fünf Kontinenten. Seit den 80er Jahren streckt die Organisation ihre Fühler intensiv nach Deutschland aus. Dies geschieht primär durch Vorfeldorganisationen , die nicht immer auf den ersten Blick als zur TFP gehörig erkennbar sind.
    In Deutschland wird die TFP auch von Adeligen unterstützt, so etwa von Mathias von Gersdorff und Paul Herzog von Oldenburg. Dabei sei die Organisation als »rechtsextreme Sekte« [8] erkennbar, wie die Historikerin Karin Priester schreibt.
    Die TFP arbeitete viele Jahre eng mit erzreaktionären kirchlichen Gruppen zusammen, besonders der Piusbruderschaft, bis diese kirchenrechtliche Probleme in Rom bekam. Da man sich die Sympathien beim Papst und seinen engsten Mitarbeitern nicht verscherzen wollte, ging man auf organisatorische Distanz, eine wirkliche inhaltliche Wende wurde aber nicht vollzogen. Die Gruppe ist bewusst elitär ausgerichtet. Vor allem die finanziellen und akademischen Eliten sollen Zutritt erhalten, da sie nach Überzeugung der TFP von Gott zur Gegenrevolution und zum Herrschen auserwählt sind. Angehörige der TFP und ihres Umfeldes engagieren sich, um erzkatholische Positionen möglichst effektiv in der Gesellschaft zu verbreiten

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