Der heilige Schein
geworfen und dort sadistisch gequält werden.
Ob so allerdings das von Schwester M., Leiterin des Mädchengymnasiums der Piusbruderschaft, mir gegenüber entworfene Schulideal erreicht wird, nämlich die Kinder zu frohen, selbständigen Menschen zu erziehen, die gelernt haben, ihr Leben auf der Grundlage christlicher Überzeugung und Selbstbeherrschung zu gestalten, daran hatte ich schon damals meine Zweifel. Einen sehr frohen eigenständigen Eindruck machten die Schüler und Schülerinnen, die ich dort kennenlernte, jedenfalls nicht.
In der Seelsorge der Katholischen Pfadfinderschaft Europas, KPE, begegneten mir ähnliche Merkmale eines falsch verstandenen Gehorsams, der im Namen des »wahren katholischen Glaubens« bis zur völligen psychischen Abhängigkeit junger Menschen getrieben werden kann. Während meiner Lehrtätigkeit in St. Pölten schrieb mir ein besorgter Vater; der seine drei Töchter an diese Gruppierung »verloren« hatte, im September 2001 einen Brief. Der Mann sprach darin von einer »Gefährdung der Jugendlichen in Ihrem Wirkungskreis«. Er hatte in der Deutschen Tagespost, für die ich damals regelmäßig als freier Journalist zu theologischen und kirchenpolitischen Themen arbeitete, von der KPE erfahren: »Da die KPE unter Vorgabe eines echt katholischen Charakters präsentiert wurde, schickten wir unsere drei Mädchen nacheinander in die Katholische Pfadfinderschaft von Pater Hönisch.« Dort seien sie in ein Netzwerk verschiedenster ultrakatholischer Gruppen, wie etwa das Engel werk, geraten: »Die Zweitälteste wurde 21-jährig (...) überraschend von einer älteren Führerin der KPE zu einer gänzlich abgeschotteten Sekte um einen (...) Pfarrer im Ruhestand gefahren, brach von heute auf morgen das Studium ab und ist für Familie, Verwandte und Freunde seitdem unerreichbar.«
Erst als der Freiburger Fundamentaltheologe Professor Josef Schumacher, sonst dem traditionellen Katholizismus gegenüber sehr aufgeschlossen, im Zusammenhang mit der KPE von einem alarmierenden erzieherischen Klima der geistigen Unfreiheit und des absoluten, sektiererischen Gehorsams im Namen der Religion sprach, begann ich, den Briefschreiber wirklich ernst zu nehmen.
Das Engelwerk ist eine esoterische Vereinigung innerhalb der katholischen Kirche, die aufgrund von Visionen der 1978 verstorbenen Tirolerin Gabriele Bitterlich entstanden ist. Im Engelwerk herrscht die Überzeugung vor, dass sich die gegenwärtige Zeit durch einen großen Kampf zwischen Engeln und Dämonen auszeichnet, der mit dem baldigen Ende der Welt seinen Abschluss finden wird. Die Engelwerker sehen ihre Aufgabe darin, möglichst viele Menschen vom Teufel wegzuholen und in die Armee der Engel einzureihen. Zu diesem Zweck werden auch exorzistische Handlungen vorgenommen. Die Laien des Werkes betreut eine von Rom anerkannte eigene » Priestergemeinschaft vom hl. Kreuz«. Das Engelwerk arbeitet eng mit den »Dienern Jesu und Mariens« zusammen und hatte in Bischof Krenn seinen wichtigsten bischöflichen Fürsprecher. Benedikt XVI. ist der erste Papst, der 2006 einen dieser Priester - Pater Athanasius Schneider - zum Bischof ernannte, womit eine deutliche päpstliche Würdigung des Engelwerkes verbunden war - und das, obwohl die Priestergemeinschaft bereits 1993 durch einen schweren (mit Mord verbundenen) Fall sexuellen Missbrauchs auf der portugiesischen Insel Madeira [13] sowie die Warnung vieler Bischöfe, dass es sich dabei um eine fundamentalistisch- geheimbündlerische Sekte handele, in einem zweifelhaften Licht stand.
Ähnliche Zustände wie in den Knabenseminaren der Piusbruderschaft herrschen auch bei der im erzkatholischen Geist zu erziehenden weiblichen Jugend. Ich habe das Mädchengymnasium der Piusbruderschaft vor allem während der vielen Gottesdienste in deren Kirche im bergischen Schönenberg kennengelernt, das Haus selber nur anlässlich eines Vortrags im Jahr 2002.
Ob die Schülerinnen im Gottesdienst stehen, sitzen oder knien müssen, wurde damals von der Rektorin, deren strengen Augen nichts entging und die sich bei den Klerikern durch ihre Selbstgebrannten Schnäpse beliebt gemacht hatte, mit einem Knackfrosch geregelt. Auf sein Knacken hin nahmen Mädchen wie perfekt getrimmte Soldaten oder Häftlinge synchron genau jene Körperhaltung ein, die die Ehrwürdige Mutter Rektorin mit ihrem Frosch anordnete. So verwunderte es nicht, dass ein Bewohner des kleinen Dorfes, dem ich auf einer Wanderung mit meinem Freund nach der Messe
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