Der heilige Schein
Katholiken naturgemäß aufs Äußerste.
Nun liegt Heilbronn genau in der Gegend, in der die »Servi Jesu et Mariae« ihre historischen Wurzeln und nach wie vor sehr viele Anhänger haben. Entsprechend groß war jedes Mal die Aufregung, wenn abends bei Tisch wieder ein Anruf »für den hochwürdigen Pater General« aus Deutschland zum Thema »Schmierenstück« kam. Man war sich einig, eine solche Gotteslästerung müsse um jeden Preis verhindert werden. Wenn das Freiheit der Kunst sei, dürfe es eine solche Freiheit nicht geben. Man habe schon mit den Zuständigen der »Partei Bibeltreuer Christen« sowie der »Blauen Armee Mariens« intensiven Kontakt aufgenommen.
Als ich mit dem Zug nach Köln zurückfuhr, las ich in der Zeitung, dass vor dem Theater aufgebrachte Katholiken zusammen mit fundamentalistischen Muslimen zwischen Muballa- und Rosenkranzgebeten gegen Theaterbesucher handgreiflich geworden waren. Dabei war es aber nicht geblieben, vielmehr musste eine Vorstellung aufgrund einer anonymen Bombendrohung unterbrochen werden.
Nebenbei sei bemerkt, dass die Aufnahme der »Blauen Armee Mariens« in die Schlachtreihen des Vatikans eine der ersten Amtshandlungen des Päpstlichen Laienrates unter Papst Benedikt XVI. war. Die päpstliche Anerkennung aller möglichen Organisationen, die schon durch ihre martialische Namensgebung ihr Programm preisgeben, kann durchaus als Indiz dafür gewertet werden, dass das Aggressionspotential innerhalb der katholischen Kirche parallel zu deren immer konservativerer Ausrichtung steigt.
Eigentlich hätte man in Rom vorgewarnt sein müssen. Dass die Aggressivität gerade bei den Anhängern reaktionärer religiöser Gruppen wie etwa der Piusbruderschaft groß ist, ist seit vielen Jahren bekannt. Sie äußert sich dort nicht selten auch in direkter physischer Gewalt. Schon 1982 gab es im portugiesischen Wallfahrtsort Fatima, einem mystisch überhöhten Mekka für Traditionalisten, einen Attentatsversuch des von Erzbischof Lefebvre zum Priester geweihten Traditionalisten Joan Fernandez Krohn auf Papst Johannes Paul II., den Krohn für zu modern hielt. Die im Unterschied zu seinem Nachfolger verhältnismäßig große Aufgeschlossenheit des polnischen Papstes anderen Religionen gegenüber hatte damals die Traditionalisten bis aufs Blut gereizt. Die lefebvristischen Mitbrüder Krohns hatten zuvor festgestellt, dass der Papstthron vom Antichrist besetzt sei, und Krohn hatte nur die letzten Konsequenzen aus diesem erzkatholischen Fanatismus gezogen.
Ein weiterer sehr bekannter Fall, über den Mitglieder der Piusbruderschaft immer voller Stolz erzählten, ist die gewaltsame Besetzung der berühmten Pariser Kirche Saint-Nicholas-du- Chardonnet . 1977 vertrieben Anhänger der Piusbruderschaft unter Leitung einiger traditionalistischer Priester den dort amtierenden Diözesanpriester gewaltsam und besetzten, unterstützt durch die extreme Rechte Frankreichs, die Kirche. Bis heute hält die Piusbruderschaft die Kirche besetzt und nutzt sie, um dort öffentlichkeitswirksam Totenmessen für bekannte Kriegsverbrecher und Rechtsradikale zu zelebrieren. So fand hier etwa 1996 das bereits erwähnte Requiem für den Kriegsverbrecher Paul Touvier statt, zwei Jahre später besuchte der Chef des Front National, Jean-Marie Le Pen, anlässlich eines Gottesdienstes die Kirche. Die tridentinische Messe, zu der Le Pen seine fundamentalistischen Freunde aufsuchte, wurde zum Gedenken an Maurice Bardeche zelebriert. Am 16. April 1952 berichtete der Spiegel über Bardeche , er sei von einem Gericht in Paris zu einem Jahr Gefängnis und 50000 Francs Geldstrafe verurteilt worden, »weil er in seinem Buch > Nuremberg ou la terre promise < (Nürnberg oder das Land der Verheißung) die Opfer der Konzentrationslager beschimpfte, Kriegsverbrecher, wie den inzwischen in Landsberg wegen Massenmordes hingerichteten ehemaligen SS-General Ohlendorff , verherrlichte und sich zu den nationalsozialistischen Ideen bekennt. Das Buch muß auf Anordnung des Gerichts eingestampft werden.«
Aber auch in amtskirchlichen Kreisen ist eine Tendenz zu wachsender Aggressivität spürbar, wenn auch in etwas verschleierter Form. So drohte der Salzburger Weihbischof Andreas Laun seinen Kritikern und den Medien in einer Kolumne für das Internetportal www.katb.net am 7. August 2010: »Aber seid vorsichtig, Euer Spott könnte auch die Muslime treffen, die zwar anders als die Christen, aber auch überzeugt sind, dass Gott straft - und auf
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