Der heilige Schein
Französischen Revolution von 1789 wie eine gefährliche Seuche aus ihrem modrigen Grab wieder hervorgekrochen sei, habe sie ein Land nach dem anderen mit ihren verrückten Ideen verseucht: der Egalität, der liberalistisch verstandenen Freiheit und der peinlichen Verbrüderung in der Herrschaft der Mehrheit.
Der lange Exkurs über seine Reisen nach Spanien während des Bürgerkriegs verwandelte sich in eine Laudatio auf den Diktator Franco - freilich mit Abstrichen. Er verstehe sich zwar als »katholischer Rechtsradikaler«, aber nicht im nationalistischen Sinne. Vielmehr sehe er in der Wiedereinführung der Monarchie nach dem Vorbild des Hauses Habsburg die Lösung aller Probleme Europas. Im europäischen Adel seien die zum Regieren geeigneten Männer zu finden. Der große Vorteil der Monarchie bestehe in ihrem patriarchalen und damit auch religiösen und » familistischen « Charakter, im Bild vom Monarchen als Vater seiner Volksfamilie sowie als Abbild von Gottvater und dem Heiligen Vater in Rom, außerdem in dem ihr zugrunde liegenden Prinzip der Erbfolge als Kontrast zur Tristesse der Wahlurnen und computergestützten Hochrechnungen.
Im Grunde genommen vertrat der Ritter etwas, was in traditionell katholischen Kreisen für viele zum politischen Allgemeingut gehört. Die politische Charta dieser monarchistischen und antidemokratischen Bewegung ist ein Buch des TFP-Gründers Correa de Oliveira, das 1993 unter dem Titel Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten erschien und, in viele Sprachen übersetzt, weltweite Verbreitung fand. Befördert wurde der Erfolg durch die überschwängliche Empfehlung höchst einflussreicher Kardinäle: Silvio Oddi , Mario Luigi Ciappi , Raimondo Spiazzi und vor allem Kardinal Alfons Maria Stickler , der nicht nur ein Bewunderer de Oliveiras, sondern auch gut mit Kardinal Ratzinger befreundet war und von diesem wegen seines Einsatzes für die traditionelle Liturgie hoch geachtet wurde.
In späteren Jahren musste ich häufiger an die Aussagen des Ritters denken, und zwar immer dann, wenn mir wieder einmal ein schwuler Kleriker oder Laie begegnete, der für die Monarchie schwärmte. Und das, obwohl gerade diese Männer ganz besonders von der Freiheit in der modernen Demokratie profitieren. So seltsam es klingen mag, aber es ist ein ganzes Sammelsurium vor allem emotionaler Motive, die diese Staatsform für manche Schwule so anziehend macht: die mit der Monarchie verbundene Ästhetik, die samtene Märchen- und Operettenwelt der Prinzen und Königinnen. Es sind die Sissi-Filme ebenso wie der unter anderem von Franz Grillparzer geschaffene habsburgische Mythos, die unter Schwulen kultivierten Gerüchte über homosexuelle Seilschaften im europäischen Adel und die Bilder berühmter homophiler Herrscher, wie Friedrich der Große von Preußen, Ludwig II. von Bayern oder Heinrich III. von Frankreich. Hier gibt es offensichtlich etwas, was schwule Männer ebenso fasziniert wie katholische Traditionalisten. Was den einen »Kings and Queens «-Partys, Sissi-Filme und die dazugehörigen Kostüme oder auch der » Koninginnetag «, zu dem alljährlich Schwule aus ganz Europa nach Amsterdam pilgern, das sind den anderen die »Monarchie-Liga«, die in Deutschland die Wiedereinrichtung der Monarchie plant, mit dem Katholizismus als Staatsreligion, oder die Seligsprechung des letzten Habsburgerkaisers Karl und seiner Gattin Zita.
Ähnliche Vorträge von »katholischen Rechtsradikalen« hörte ich im Laufe der nächsten Jahre bei den Herrenabenden immer wieder, so etwa von dem Wiener Soziologen Friedrich Romig. Durch seine verschiedenen Ämter war er geradezu prädestiniert für die Herrenabende, die Finanzkraft, politisch rechtes Gedankengut und katholischen Integralismus vernetzten. Romig war Professor für Politische Ökonomie, daneben zwei Jahrzehnte lang Planungschef des größten österreichischen Öl- und Chemiekonzerns OMV und spielte in seiner Funktion als Europabeauftragter des St. Pöltener Bischofs Kurt Krenn sowie Mitglied der Europakommission der Österreichischen Bischofskonferenz im österreichischen Katholizismus eine wichtige Rolle.
In seinem von Antisemitismus geprägten Vortrag beklagte Romig u.a., dass die katholische Kirche ihren Widerstand gegen eine - von ihm im Einzelnen beschriebene - Judaisierung der Welt aufgegeben habe, so dass der »Triumphzug des Antichristen« nicht mehr aufzuhalten sei.
Mit ähnlich antisemitischen Thesen wartete im Herbst 2000 der
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