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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Berger
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in ihren Diözesanmuseen moderne Kunstwerke auf den massiven Druck extrem konservativer Kreise hin entfernen lassen. In diesem Zusammenhang ist ein Ereignis aus dem Jahr 2008 erwähnenswert: Der Wiener Kardinal Schönborn, sonst für seine Offenheit gegenüber der modernen Kunst bekannt, ließ am Gründonnerstag die vielbeachtete Radierung Leonardos Abendmahl, restauriert von Pier Paolo Pasolini von Alfred Hrdlicka aus dem Dommuseum entfernen. Und das, obwohl er zu Beginn der Ausstellung noch fest entschlossen gewesen war, dem Druck rechter Kreise nicht nachzugeben. Was war in der Zwischenzeit passiert? Die »Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum«, TFP, hatte zusammen mit ihrer österreichischen Filiale von den USA aus zu Protesten beim Bischof aufgerufen und eine englische und deutsche Protestmailvorlage ins Internet gestellt, die von ihren Mitgliedern eifrig ausgefüllt und nach Wien geschickt wurde. Die internationale Kampagne war so erfolgreich, dass sogar nicht-deutschsprachige große Tageszeitungen wie El País oder II Giornale darüber berichteten.
    Zurück zu Walter Marinovic: Einer größeren Öffentlichkeit wurde er bekannt, als das ARD-Magazin Report Mainz am 19. April 2010 meldete, er sei von der Piusbruderschaft zu einer Vortragsreise durch deren deutsche Niederlassungen eingeladen worden, um dort über die »Überfremdung Europas« zu sprechen. Einer der bekanntesten Moraltheologen Deutschlands, Professor Eberhard Schockenhoff, kommentierte den Vorgang in demselben Report-Beitrag folgendermaßen: »Diese Aktivitäten der Piusbruderschaft im deutschen Sprachraum belegen eindeutig ein weltanschauliches Amalgam von faschistischen, ehemals nationalsozialistischen Aussagen. Diese Aussagen führen unter dem Deckmantel der Piusbruderschaft noch ein weiteres Leben und finden öffentliche Verbreitung. Im Grunde ist das ein Fall für den Verfassungsschutz.« [21] ,
    An der Verbindung Marinovics zur Piusbruderschaft wird deutlich, dass es bei diesen Herrenabenden nicht nur um die Vorträge, die Interpretation des »Ave Maria« oder die teuren Weine ging, die den Gästen kredenzt wurden. Vielmehr wurde ein katholisch-rechtsradikal ausgerichtetes Netzwerk geknüpft, das sich immer weiter ausbreitete.
    Schon der 1998 verstorbene Kölner Diözesangeistliche und Professor Johannes Bökmann hatte auf den Priestertreffen rund um die von ihm herausgegebene Zeitschrift Theologisches immer wieder geklagt, die Progressisten hätten aggressiv agierende Netzwerke gebildet, während die Konservativen zu sehr in der Vereinzelung arbeiteten. Dadurch gehe viel an Schlagkraft verloren, die man im gegenwärtigen Kirchenkampf aber dringend benötige.
    Bökmann, der seine Priestertreffen in einem vornehmen Kölner Hotel abhielt, war wiederum eng mit dem Gastgeber der Herrenabende befreundet.

Kartellartige Strukturen
    Im Sinne einer geistigen und materiellen Festigung und Erweiterung des Netzwerks waren auch die Gäste der Herrenabende ausgesucht: reiche Herren aus nordrhein-westfälischen Unternehmerfamilien, promovierte Architekten, Lehrer von Schulen der Piusbruderschaft, namhafte Juraprofessoren. Weiterhin ein als Maastricht-Kritiker in Erscheinung getretener Hochschullehrer, der seine auf den Herrenabenden kostenlos verteilten politischen Traktate unter anderem in einem Sedisvakantisten -Verlag publizierte. An Teilnehmern aus der katholischen Kirche wären etwa zu nennen: Dr. Christoph Heger, Mitorganisator der tridentinischen Messen in der Erzdiözese Köln und im Jahr 2008 Gründungsmitglied der extrem rechten, vom Verfassungsschutz beobachteten »Bürgerbewegung Pro NRW«; der inzwischen verstorbene Münchner Theologe und spätere Kardinal Leo Scheffczyk, der mit den Kardinälen Ratzinger und Meisner befreundet war; der Weltenburger Benediktinerabt und Engelwerkpropagator Thomas Niggl; der Jesuitenpater Lothar Groppe, Kuratoriumsmitglied des von Gerhard Löwenthal gegründeten Vereins »Konservative Kultur und Bildung«; der Chefredakteur der hauptsächlich von der Piusbruderschaft finanzierten Kirchlichen Umschau; der damalige Leiter des Instituts für Lutherforschung an der Gustav-Siewerth-Akademie, der durch seine antiökumenischen, vor allem gegen Kardinal Lehmann gerichteten Pamphlete bekannt war; der Bonner Altphilologe und unermüdliche Apologet der Piusbruderschaft, Heinz-Lothar Barth; Reinhard Dörner, Vorsitzender des ebenfalls dem ultrakonservativen Spektrum zuzuordnenden

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