Der Heiratsantrag - Almost a Bride
sie am Leben ist, müssen wir sie herausholen. Man sagte mir, dass man mit Geld alles erreicht.«
Niemand stieß sich an ihrem Einwurf. Therese sagte: »Wenn es an der richtigen Stelle landet, kann es nützen. Gerät es aber an den Falschen, ist es katastrophal. Menschen wurden hingerichtet, die versuchten, die sécurité zu bestechen.« Sie lachte kurz auf. »Erstaunlich, aber nicht alle sind korrupt.«
»Zuerst müssen wir feststellen, ob sich die Comtesse tatsächlich im Le Chatelet befindet.« Ein stämmiger Mann, der aussah wie ein Möbelpacker, stand auf, um ein großes Scheit in den Kamin zu werfen. Das Schwein, das sich auf einem Spieß drehte, ließ Fett auf die Flammen tropfen und das Feuer aufzischen.
»Ja, Jean Marc. Jemand muss hinein«, sagte Therese. »Eine Frau. Einen Mann lässt man nicht in den Frauentrakt.« Sie ließ den Blick über die Anwesenden wandern. »Unsere Gesichter sind bekannt. Da die Gefängniswärter aus diesem Viertel kommen, ist die Gefahr groß, dass man uns erkennt.«
»Ich werde gehen«, sagte Arabella. »Ihr müsst mir nur sagen, wie ich hineinkomme.«
»Nein«, widersprach Jack mit Entschiedenheit.
»Doch«, erwiderte sie ähnlich entschlossen.
Nun trat wieder Stille ein, nur unterbrochen vom zischenden Fett, dem Gluckern des Weins, der von der Flasche in einen Becher lief und dem dumpfen Geräusch des Nudelholzes auf dem Tisch. Arabella hielt Jacks Blick stand.
»Sehr vernünftig, wenn Madame es übernimmt«, sagteTherese schließlich. »Wir machen sie zurecht und sagen ihr, wohin sie gehen muss. Man kommt leicht hinein, wenn man etwas zu verkaufen hat und den Aufsehern ein kleines Lächeln schenkt.«
»Nein«, lehnte Jack ab.
»Doch«, erwiderte Arabella. »Ich kann Aufseher wie jede andere Frau auch anlächeln. Mein Französisch wird reichen, schon gar, wenn ich nur einfache Sätze sage. Mein Akzent mag zwar wenig überzeugend sein, aber wenn ich leise spreche...«
»Die sind nicht redselig«, sagte ein älterer Mann vom Feuer her und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Erst ein Lächeln und Gekicher, dann lassen Sie sich ein wenig kneifen, und Sie sind drinnen und am Ziel.«
Jacks Miene entlockte Arabella unwillkürlich ein Lächeln. Sie vermutete ganz richtig, dass es vor allem das Kneifen war, das ihn entsetzte. »Ich bin nicht aus Porzellan, mein Lieber«, protestierte sie.
»Das ist nicht der Punkt.«
»Jetzt wird gegessen. Mit vollem Magen ist noch immer Zeit, alles zu besprechen«, erklärte Therese. »Alle zu Tisch.« Sie wischte mit einem feuchten Lappen das Mehl vom Tisch, und die anderen Frauen machten sich hurtig daran, Kartoffeln und Kohl aufzutragen, Brot und Butter, dazu Tongeschirr und Besteck. Einer der Männer schnitt dicke Bratenscheiben vom Schwein, das noch immer am Spieß steckte, und häufte sie auf ein großes Servierbrett, das in der Mitte des Tisches Platz fand.
Arabella setzte sich neben Jack auf eine der langen Bänke am Holztisch. Er schenkte ihr nach, als die Flasche kreiste, und legte ihr Fleisch auf den Teller. Sie aß mit Appetit und hörte zu, was gesprochen wurde, sagte selbst aber wenig. Allmählich bekam sie nicht nur mit, dass die kleine GruppeJack nach der Verhaftung seiner Schwester außer Landes gebracht hatte, sondern er in den schlimmsten Tagen der Revolution mit ihr als Teil eines Netzwerks zusammengearbeitet hatte, das Verfolgten zur Flucht verhalf und sie an die Küste oder über die Grenze nach Deutschland oder in die Schweiz brachte.
Sie kannte nur den Jack, den er ihr gezeigt hatte, den Lebemann und Spieler, den Mann, der einen anderen in den Ruin treiben konnte; sie kannte den eleganten Weltmann, den Freund des Prince of Wales; sie kannte seine politische Einstellung, wusste von seinem Interesse an der Regierungspolitik. Und sie wusste, dass ihm alle Hunde ausnahmslos zu Füßen lagen.
Von diesem Mann hier aber hatte sie nur gehört. Sie war ihm zuvor nicht persönlich begegnet. Dem Mann, der Flüchtlinge aus einem von Revolutionswirren zerrissenen Land hinausschaffte; der sein Leben unzählige Male aufs Spiel setzte. Dem Mann in Hemdsärmeln und offenem Hemdkragen, der beim Essen die Ellbogen auf den Tisch stützte und Fleisch in sich hineinschaufelte, während er mit diesem bunten Haufen redete, seinen Freunden und Gefährten. Und doch, dachte sie und lehnte sich zurück, um sein Profil besser sehen zu können, war diese Seite ihres Mannes vermutlich die wichtigere, alles andere war nur Tünche,
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